Heute wurde ein historisches Urteil des BVerfG-Urteil getroffen. Das Klimaschutz-Gesetz der Bundesregierung wurde in Teilen für ungültig erklärt. Während ich keine Rechtsexpertise habe und daher nur oberflächlich die Folgen des Urteils einschätzen kann, möchte ich auf drei Dinge hinweisen, die das Gerichtsurteil zu einem Game Changer in der Klimapolitik werden lassen könnten.
Zum Einen macht die Begründung des Urteils vollkommen klar: Wir müssen uns in Zukunft mit unseren Rechtsnormen an den absoluten planetaren Grenzen orientieren. Es kann keine Entscheidung gegen Klimaschutz geben, sondern nur eine Entscheidung, ob dieser „by design“ oder „by disaster“ entschieden wird. Wobei letzteres eindeutig die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen unzulässig einschränkt.
Zum Zweiten erklärt das Gericht, dass eine Verschiebung der Last auf andere Länder keine ausreichende Begründung für fehlenden Klimaschutz im eigenen Land sein kann. Dazu ein Zitat aus der Pressemitteilung des BVerfG: „Art. 20a GG verpflichtet den Staat, eine Lösung des Klimaschutzproblems gerade auch auf überstaatlicher Ebene zu suchen. Der Staat könnte sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen und für andere Staaten keine Anreize zu setzen, das erforderliche Zusammenwirken zu unterlaufen.“ Die Worte sind vollkommen klar und nochmal zur Verdeutlichung: „[…] eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene Maßnahmen zu ergreifen.“ In der Klimapolitik wird ständig darüber gestritten, inwiefern man das globale CO2-Budget nun „gerecht“ auf Länder aufteilen kann. Man könnte es auf die Bevölkerung aufteilen oder das BIP oder man geht im Sinne der „Besitzstandsgerechtigkeit“ davon aus, dass Industrieländer auch weiterhin deutlich mehr ausstoßen dürfen als der globale Süden. Das Gerichturteil entscheidet nun: Deutschland muss eigene klare Reduktionsziele festlegen, ohne die Verantwortung auf andere Staaten zu verschieben.
Zum Dritten bezieht sich das Urteil eindeutig auf das im IPCC-Bericht genannte verbleibende CO2-Budget und die Einschätzung des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU), der ein CO2-Budget daraus für Deutschland ableitet. Dieses deutsche Budget trifft die Annahme, dass das CO2-Budget nach den Bevölkerungszahlen auf die Länder aufgeteilt wird. Auch wenn das Gericht keine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Staates daraus ableitet, ist das ausschließlich auf die Unsicherheiten, die sich aus dem IPCC-Bericht ergeben, zurückzuführen: „Derzeit kann ein Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht nicht festgestellt werden. Zwar folgt daraus, dass Schätzungen des IPCC zur Größe des verbleibenden globalen CO2-Restbudgets zu berücksichtigen sind, obwohl darin Ungewissheiten enthalten sind. Durch die in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 geregelten Emissionsmengen würde das vom Sachverständigenrat für Umweltfragen auf der Grundlage der Schätzungen des IPCC ermittelte Restbudget bis zum Jahr 2030 weitgehend aufgebraucht. Das Maß an Verfehlung bildete jedoch verglichen mit den derzeit in der Berechnung des Restbudgets enthaltenen Unsicherheiten keine hinreichende Grundlage für eine verfassungsgerichtliche Beanstandung.“ Mit „Unsicherheiten“ ist gemeint, dass eine wissenschaftliche Prognose der Auswirkungen der CO2-Emissionen auf das Temperaturniveau nicht ganz exakt gegeben werden konnte.
Auch in der Enquete-Kommission „Eine Klimaschutzstrategie für Bremen bis 2030“ wird immer wieder darüber diskutiert, inwiefern man ein CO2-Budget festlegen kann und sich dabei auf die Einschätzung des SRU berufen kann. Ich bin gespannt, wie das Urteil nun die Diskussion beeinflusst und damit ein Klimaziel für 2030 festgelegt wird, das sich zwangsläufig aus den planetaren Grenzen ergibt.
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