Sona Terlohr, grüne Fraktionssprecherin im Beirat Mitte-Östliche Vorstadt, sagt: „Ich kann dieses Gemecker nicht mehr ertragen. Ich meine, wir sollten uns freuen auf die Veränderungen… Ich jedenfalls wünsche mir mehr Mut und Visionen. Typisch Bremen.“
Lasst die Jungs ruhig spielen. So hab ich lange über die Bremer Traditionen wie Eiswette oder Schaffermahl gedacht – schaffen wir uns doch einfach unsere eigenen Netzwerke. Das hat ja auch ganz gut geklappt, so gut offenbar, dass die Jungs jetzt gar nicht mehr allein spielen wollen. Also netzwerken wir in Zukunft gemeinsam mit Silberbesteck an gestärkten weißen Tischdecken.
Die anderen werden folgen, da bin ich ziemlich sicher: Die Zeit läuft ab für Männerbünde, und wir üben schon mal, aus Tonpfeifen zu rauchen. Es bewegt sich was in Bremen. Und das ist gut so. Als meine Familie nach Bremen zog, war die Neue Vahr Süd ein Magnet für Studierende aus der ganzen Republik, also: aus der westlichen Republik einschließlich West-Berlin. Sie alle wollten da sein, wo liberale und linke Ideen entstehen und gelebt werden. Bremen war, so schwärmen die inzwischen alten Alt-68er, Aufbruch und Zukunft. Die Blechtrommel wurde unter dem Ladentisch verkauft, aber die Straßenbahn wurde öffentlich bestreikt. Kresnik sorgte für Skandale im Goethetheater und Radio Bremen hat Fernsehgeschichte geschrieben. Spannende Zeiten offenbar. Und ich habe immer überall damit angegeben, dass ich aus so einer linken Stadt komme.Es muss sich was bewegen. Und es bewegt sich was – die Eiswette nur ein winziges Symptom dafür.
Aber wir sollten das, was sich bewegt, unbedingt ein bisschen fröhlicher feiern. Die typisch bremische Miesepetrigkeit macht allseits nur schlechte Laune: Wir müssen ja nicht gleich an jeder neuen Ladestation ein rotes Bändchen durchschneiden. Aber wir können uns doch ruhig mal offensiv darüber freuen. Und wir könnten uns beispielsweise mal fragen, ob jede Architektur, die höher als zwei Geschosse und nicht aus rotem Backstein ist, wirklich das Stadtbild verschandelt. Oder ob es nicht erholsam wäre, statt einer häßlichen Hochgarage einen besseren und billigeren ÖPNV zu bekommen. Oder ob wir Inklusion wirklich immer nur als Problem diskutieren müssen, anstatt zu sehen, dass das Zusammenleben hier schon ziemlich gut funktioniert und ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, das gelebte Gleichberechtigung und Demokratie bedeutet.
Ist Bremen wirklich immer nur Schlusslicht in Sachen Bildung, oder ist diese Stadt vielleicht an der einen oder anderen Stelle sogar vorbildhaft vorangegangen? Ist das Glas halb voll oder halb leer? Könnten wir, gerade weil wir so klein sind und die Wege so kurz, nicht Modellstadt werden – für autofrei, für klimaneutral, für Wasserstoff, für start-up, für Kunstszene, für was auch immer… für mutige und innovative Ideen? Dann werden auch wieder Hochschulabsolventen kommen, Fördergelder, Investoren…Was auch immer in dieser Stadt schief läuft, seien es zugeparkte Straßenecken, eine überfüllte Straßenbahn zum Werderspiel oder Millionen-Defizite bei der Geno, höre ich meine Nachbarin, meine Supermarktkassiererin oder meine Kollegin schimpfen – typisch Bremen!
Ich kann dieses Gemecker nicht mehr ertragen. Ich meine, wir sollten uns freuen auf die Veränderungen, die jetzt anstehen und begonnen haben – stellt auch doch mal vor, so wirklich, vorm inneren Auge, wie großartig eine autofreie Innenstadt wird! Die Fahrradbrücken! Wohnstraßen ohne aufgesetztes Parken! Wow! Ich jedenfalls wünsche mir mehr Mut und Visionen. Typisch Bremen.
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