Der diesjährige Safe Abortion Day steht unter dem Motto „150 Jahre Widerstand gegen §218“. In Deutschland regeln die §218 und §219 im Strafgesetzbuch (StGB) Schwangerschaftsabbrüche sowie die Beratung schwangerer Personen. Dabei wird der Abbruch einer Schwangerschaft bis zur zwölften Woche als „straflos“ betrachtet, wenn dem medizinischen Eingriff mindestens drei Tage zuvor nachweislich eine Beratung voraus ging. Diese Fristenlösung geht auf einen Kompromiss aus dem Jahr 1974 zurück. Seitdem sind Schwangerschaftsabbrüche in diesem Rahmen mögliche und straffreie medizinische Eingriffe. Ihre Regelung im StGB führt jedoch weiterhin zu einer Stigmatisierung und Kriminalisierung von Abbrüchen und denen, die über sie informieren und sie durchführen.
Ganz konkret führt die Regelung des §218 im StGB dazu, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht Teil der medizinischen Ausbildung sind oder wenn eher rechtliche und ethische Aspekte vorkommen. Diese mangelnde Ausbildung führt bereits jetzt zu Versorgungslücken, da nicht mehr genug Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Schwangere müssen oft weite Strecken zurücklegen, um an Beratungsterminen teilzunehmen und dann einen Termin zum Eingriff zu bekommen. Da Schwangerschaftsabbrüche im Strafgesetzbuch stehen, können sie nur mit Begründung durch einen Sonderantrag von der Krankenkasse bezahlt werden. Dies ist eine zusätzliche Hürde und erschwert es besonders Personen mit geringerem Einkommen, einen Eingriff wahrzunehmen. Grundlegende medizinische Versorgung, wird so zu einem Privileg von Personen mit besseren ökonomisch Mitteln.
Ein weiteres Problem birgt der §219a, der das Bereitstellen von Informationen über Schwangerschaftsabbrüche als „Werbung“ auslegt. Dies führt zu gezielten Angriffen und gerichtlichen Verfahren gegen Ärzt*innen, die ihre Patient*innen dennoch informieren. Diese Art der Kriminalisierung eines einfachen Informationsverfahrens trägt zusätzlich zu der fehlenden Ausbildung zu den Versorgungslücken bei. Denn wer möchte schon einen Eingriff anbieten, über den nicht legal informiert werden darf und dessen Bereitstellung gerichtliche Klagen mit sich bringen kann? Eine Reform des 219a im Jahr 2019 hat diesen Zustand nicht verbessert. Informationen über eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung über den eigenen Körper sind keine „Werbung“. Damit Ärzt*innen sicher informieren und die Gesundheit ihrer Patient*innen gewährleisten können, muss der §219 gestrichen werden.
Dieser jetzige Zustand wird auch international kritisiert. Das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ CEDAW der UNO wurde in Deutschland bereits 1985 ratifiziert. Der UN-Fachausschuss kritisierte 2019 in einem Zwischenbericht zur Umsetzung die mangelnde Kooperation der Bundesregierung und forderte sichere Zugangsmöglichkeiten für Schwangerschaftsabbrüche ohne obligatorische Beratungen und Wartezeit, die beide von der WHO als unnötig bewertet werden. Außerdem forderte der Ausschuss die Erstattung der Kosten für Schwangerschaftsabbrüche durch die Krankenkasse. Diese Forderungen werden seit Jahren erfolglos an die Regierung gestellt.
Auch in Bremen und besonders in Bremerhaven führen immer weniger Ärzt*innen Schwangerschaftsabbrüche durch. Anfang des Jahres gab es in Bremen noch fünf Ärzt*innen und drei Kliniken, die den Eingriff vornehmen konnten. In Bremerhaven hat die letzte Praxis letztes Jahr geschlossen. Gemeinsam mit den Ländern Berlin, Brandenburg, Hamburg und Thüringen brachte das Land Bremen in der letzten Sitzung einen Antrag in den Bundesrat ein, um den §219a zu streichen. Dieser Vorstoß wurde am 17. September leider abgelehnt.
Es ist Zeit die Gesundheitsversorgung von Schwangeren und das damit verbundene Recht auf körperliche Selbstbestimmung endlich ernst zu nehmen und die Aufgabe der kommenden Regierung endlich eine wirkliche Reform voranzubringen. Sichere Schwangerschaftsabbrüche sind ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsversorgung und gehören nicht in das Strafgesetzbuch zwischen Tötungsdelikte.
Deshalb fordern wir zum Safe Abortion Day:
- die Streichung der §218 und §219 aus dem Strafgesetzbuch
- die Abschaffung der Beratungs- und Wartepflicht für Schwangere
- Übernahme der Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs durch die Krankenkasse
- Ausbau und bessere Finanzierung freiwilliger Beratungsangebote für Schwangere
- Bessere Aufklärung über unterschiedliche Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs
Josephine Assmus ist Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Frauenpolitik.
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