…dass die Fakten öffentlich zugänglich sein müssen, um die Pandemie zu bekämpfen.
Die Senatorin für Gesundheit, der Senat insgesamt haben über Monate hinweg die bei ihnen verfügbaren Daten über die Verteilung der infizierten Personen auf die Stadtteile Bremens bewusst zurückgehalten; erst in vergangenen Woche haben Presse-Recherchen die Veröffentlichung erreicht. Dieses beharrliche Schweigen des Senats halte ich für einen Fehler, denn es hat die öffentliche Debatte über eine bessere Lösung der größten Probleme behindert. Es gilt grundsätzlich: Nicht die Bekanntmachung von Fakten ist „diskriminierend“, sondern die Interpretationen, die damit verbunden werden. Wir wissen jetzt, dass Stadtteile wie Gröpelingen, Osterholz oder Huchting einen höheren Anteil von Infizierten haben. Und weil wir das jetzt wissen, können wir auch besser und gezielter die besonderen Probleme angehen! Aufgrund der öffentlichen Debatte will die Gesundheitssenatorin die vielsprachige Information aktualisieren (die letzte stammt vom Juni!), die örtlichen Gesundheitszentren stärken, mehr noch die Multiplikatoren der verschiedenen Communities einbeziehen. Für diese Maßnahmen hätte sie längst mit den Fakten öffentlich werben können und müssen! Verschweigen nützt nicht und schützt nicht die Menschen in Corona-Zeiten, im Gegenteil.
Zu Recht wird nun auch über die Interpretation der Fakten, über die Ursachen der Unterschiede zwischen den Stadtteilen diskutiert und gestritten. Man kann davon ausgehen, dass die Gesamtheit der sozialen Umstände eine wesentliche Rolle spielt, also die Wohnverhältnisse, der Weg zur Arbeit, auch die Bildungsnähe. Aber zu diesen sozialen Verhältnissen gehören eben auch Traditionen und Lebenswelten, die nicht überall gleich sind. Es gibt in unserer Gesellschaft Gruppen, in denen die Familie – und nicht nur die Kleinfamilie – noch wichtiger ist als bei den meisten von uns (Grünen); und das heißt nicht nur abstrakter Zusammenhalt, sondern ganz reales Zusammensein, reale Nähe. Und daran ist ja wirklich nichts Schlechtes, im Gegenteil; aber es hat in der jetzigen Situation auch seine Schattenseite, wie auch die moderne Kleinfamilie ihre Schattenseiten hat. Und es gibt Altersgruppen, die gern auch in großen Gruppen zusammen sind und „feiern“. Ganz offensichtlich müssen wir hier besondere Anstrengungen der Ansprache und der Durchsetzung der Schutzmaßnahmen unternehmen.
Wir reden immer gern von Vielfalt, aber wenn Vielfalt sichtbar wird und sich auswirkt, wollen wir lieber den Mantel des Schweigens darüberbreiten und rufen gleich „Diskriminierung“, wenn man sie benennt? Noch einmal: Das nützt den Menschen nicht, sondern schadet ihnen, weil es den Weg zu Lösungen erschwert.
PS: Es wäre übrigens auch gut, wenn wir Daten über das Infektionsgeschehen nach Berufen hätten: Sind etwa Kassier*innen, Busfahrer*innen öfter erkrankt? Dann wüssten wir auch hier besser, was extra für sie zu tun ist.
Hermann Kuhn
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