Der Vorgang stimmt nachdenklich. MSC, die weltgrößte Containerreederei, steigt mit einer Beteiligung von 49,9% bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) ein. Diese Nachricht überraschte einen Tage vor der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen die deutsche Hafenpolitik und die maritime Wirtschaft der Republik. Wenngleich die meisten Details der Einigung noch unbekannt sind, so lehnt man sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt: Dieser Deal wird folgenreich sein.
Zunächst ist festzuhalten, dass diese Art der Beteiligung für den deutschen Markt etwas qualitativ Neues ist. Dass große Reeder sich über Joint Ventures an einzelnen Terminals beteiligen, ist seit vielen Jahren weltweit Normalität. (Die geopolitischen Vorbehalte gegenüber der COSCO-Beteiligung in Tollerort klammere ich hier für den Moment aus.) Am Standort Bremerhaven unterhält Eurogate solche Partnerschaften mit Maersk und eben MSC. Der Einstieg beim Hafenbetreiber HHLA, der bisher zu fast 70% vom Land Hamburg gehalten wurde, ist ein Novum.
Mit diesem Schritt zeichnet sich ein Trend der letzten Jahre fort, der einen immer größeren Einfluss der privaten Großreedereien entlang der maritimen Wertschöpfungskette erkennen lässt: Diese global operierenden Konzerne kaufen sich zunehmend in lokale Speditionen und Logistikdienstleister ein und bauen im Hinterland eigene Lagerstrukturen auf. Sie unterhalten zudem in manchen Häfen schon eigene Schlepperflotten. Nun also ein weiterer Privatisierungs- und Konzentrationsschub durch die umfassende Beteiligung an einem öffentlichen Hafenbetreiber.
Aus Hamburger Sicht mag es gute Argumente für diesen Schritt geben. Der Einstieg bringt Kapital in den Hamburger Hafen, was Infrastrukturinvestitionen erleichtert. Zugleich wächst der Einfluss eines privaten Akteurs im Hafen insgesamt. Konkurrierende Reeder are not amused, wie man mit Blick auf Hapag Lloyd und die scharfen Reaktionen von Herrn Kühne feststellen kann. Das ist verständlich, schließlich ist es wenig attraktiv, sich vom direkten Konkurrenten – im buchstäblichen, aber auch übertragenen Sinn – abfertigen zu lassen.
Aber auch für das Verhältnis zwischen den norddeutschen Häfen ist der Vorgang alles andere als trivial. Denn zur Vorgeschichte gehört in chronologischer Reihenfolge: (1) Dass die Gespräche zwischen der HHLA und Eurogate über eine Fusion von acht Terminals in Norddeutschland ergebnislos beendet wurden. (2) Dass die Häfen der europäischen Nordrange, insbesondere die deutschen, im Containerumschlagsgeschäft derzeit eine Talsohle durchschreiten. (3) Dass MSC und Maersk bereits das Ende ihrer Zusammenarbeit in der gemeinsamen „2M-Allianz“ für 2025 angekündigt haben, u.a. aufgrund strategischer Differenzen. (4) Dass die Einigung in Hamburg kam, kurz nachdem MSC seinen Kooperationsvertrag in Bremerhaven um 25 Jahre bis 2048 verlängert hat.
Aus diesen Facetten des Geschehens der jüngsten Vergangenheit ergibt sich das vorläufige Bild vom Marktführer MSC, der sich entlang der schwächelnden Nordrange offensiv neu aufstellt und damit insbesondere in Deutschland eine strukturell dominante Position einnehmen möchte.
Beruhigend wirkt für den Moment, dass Eurogate und MSC bereits erklärt haben, dass weiterhin das vertragliche Einvernehmen darüber besteht, dass gemeinsame Terminal in Bremerhaven („MSCGate“) umfassend zu modernisieren. Das ist aus meiner Sicht von großer Bedeutung, schließlich beschreitet der Senat gerade den Weg in Richtung der Sanierung der Stromkaje, was in den nächsten zwei Dekaden hunderte Millionen Euro an Investitionen erfordert. Dem muss eine massive private Finanzierung in die Umschlagsanlagen (die sog. „Suprastruktur“) zur Seite gestellt werden.
Eher beunruhigend wirkt für den Moment der Umstand, dass MSC in Hamburg Umschlagsgarantien gegeben hat, in Bremerhaven dagegen nicht. Der alte Verdacht, dass die deutschen Seehäfen von den Großreedereien gegeneinander ausgespielt werden, erhält neue Nahrung. Spekulationen über künftige Ladungsverlagerungen anderer Reeder von Hamburg nach Bremerhaven und Wilhelmshaven – gewissermaßen als marktkonformer Racheakt – sind momentan zwar ohne belastbare Grundlage, aber dennoch allgegenwärtig. Vor dem Hintergrund der ergebnislosen Verhandlungen zwischen HHLA und Eurogate drängt sich also als erster Eindruck auf, dass das Prinzip der Konkurrenz zwischen den norddeutschen Ländern gestärkt und alle Reden über „Hafenkooperation“ stark relativiert wurden.
Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Aber mit der neuen MSC-Konstellation steht definitiv die Frage im Raum, wie eine norddeutsche Hafenkooperation mit den drei großen Containerstandorten Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven nun eigentlich funktionieren könnte. Würde man eine Intensivierung von Zusammenarbeit nun hauptsächlich noch zwischen Niedersachsen und Bremen verfolgen, dann wäre darin zwar auch noch einiges Potenzial. Aus grüner Sicht wäre diese Beschränkung allerdings ein hafenpolitischer Rückschritt für den Standort Deutschland insgesamt.
—
Die „Meinung am Freitag“ (MaF) ist ein Meinungsformat der GRÜNEN im Land Bremen. Sie hat den Zweck, fernab von Veranstaltungen eine Kommentierung politischer, gesellschaftlicher oder parteiinterner Ereignisse zu ermöglichen. Die Beiträge geben stets ausschließlich die persönliche Meinung der Autor*in wieder, nicht die der gesamten Partei.
Möchtest du auch einen Meinungsbeitrag einreichen? Dann sende uns deinen Beitrag plus ein Foto von dir bis spätestens Mittwochabend an info@gruene-bremen.de.
Neuste Artikel
Fraktion
Straßenverkehrsgesetz: Grüne kritisieren CDU für wiederholte Blockade der Verkehrswende
Die Reform der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist im Bundesrat gescheitert. Aufgrund der ablehnenden Haltung vor allem unionsgeführter Bundesländer konnte die StVO-Novelle in der vergangenen Woche nicht beschlossen werden. Mit der Reform sollten u.a. Klima- und Umweltschutz als neue Ziele ins Verkehrsrecht aufgenommen werden, etwa um mehr Spielraum für die Einrichtung von Busspuren und Tempo-30-Zonen zu schaffen….
Europa
Alexandra Werwath auf grüner Bundesliste für die Europawahl 2024: Engagiert für eine starke maritime Wirtschaft
Auf der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen vom 23. bis 26. November 2023 in Karlsruhe, erhielt Alexandra Werwath einen Platz auf der starken Grünen Liste für die Europawahl 2024 und sicherte sich den Listenplatz 23. Bereits im Oktober erhielt Alexandra Werwath das Votum ihres Landesverbandes Bremen für die Europaliste 2024. Somit wird sie im kommenden…
Fraktion
Klima- und Sozialpolitik nicht gegeneinander ausspielen: Transformation der Wirtschaft gelingt nur mit sozialer Flankierung
Die grüne Bürgerschaftsfraktion kritisiert Rufe aus Reihen der CDU und FDP, die Transformation in Richtung Klimaneutralität mit einem sozialen Kahlschlag zu finanzieren. „Es ist verheerend, den Eindruck zu erwecken, dass nun einkommensschwache Haushalte zurückstecken müssten, damit Maßnahmen zur Transformation unserer Wirtschaft bezahlbar sind“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Emanuel Herold. Es ist nicht vermittelbar,…
Ähnliche Artikel
Meinung am Freitag
Emanuel Herold: Ostpolitische Abgründe
Es ist ganz erstaunlich, was der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen diese Woche in einem Interview mit dem Weserkurier zur Lage in der Ukraine und dem diesbezüglichen Agieren der Bundesregierung ausgeführt hat. Eine Auswahl: – Die Ampel-Regierung wäre mit „Sanktionen und Pressionen schnell zur Hand“. – Das Verhältnis zu einem autoritären Staat wie Russland ließe sich…
Meinung am Freitag
Hermann Kuhn zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem
Ich meine… … dass die gegenwärtige Art der Auseinandersetzung um die EU-Asylpolitik die Grüne Partei in große Gefahr bringt. Wer etwa von „Schande“ und „erbärmlich“ schreibt und das verbreitet, der oder die sagt ja, dass die Außenministerin und die anderen grünen Mitglieder der Bundesregierung, die den Rats-Beschluss mittragen, sich an „Schande“ beteiligen. Könnten sie dann…
Meinung am Freitag
Sona Terlohr: Ein Zeichen für den Frieden
Ein wenig versteckt am Rande des Bürgerparks, hinter dem Hauptbahnhof – die meisten Bremer*innen kennen den Kreuzstein nicht, der seit 18 Jahren an die Opfer des Völkermords erinnert, den die Türkei an den Armeniern und den anderen indigenen christlichen Völkern des osmanischen Reichs verübt hat. In der nächsten Woche jährt sich der Gedenktag: Am 24….