„Die „Backpfeife hat mir auch nicht geschadet – kenn´ ich nicht, mag ich nicht oder früher war eh alles besser“

Bremen ist mal wieder Schlusslicht. Wir alle wissen, dass Bildung der Schlüssel für die Zukunft ist, für unsere eigene Zukunft, vor allem aber für die Zukunft kommender Generationen. Aber es klappt nicht in Bremen, wir hinken hinterher. Bildung ist ein so wichtiges Feld, dass alle Parteien sich eigentlich um das Ressort reissen müssten. Das passiert aber gerade nicht. Zu viele Fallstricke lauern offenbar, zu viele Möglichkeiten, zu scheitern.

Jetzt scheinen die alten Rezepte wieder Konjunktur zu haben: Noten ab Klasse 3 und Sitzenbleiben. Aber alte Rezepte, die uns die jetzige Situation beschert haben, helfen nicht weiter in einer Zeit, die so viele neue Herausforderungen stellt: Zuwanderung, Sprachdefizite, soziale Desintegration, Armut, Zukunftssorgen…

Und nur weil wir Eltern bzw. laut Umfrage wir älteren Eltern und Großeltern Schule wie sie heute ist, wie sie dem Stand der Erziehungswissenschaft entspricht, nicht kennen oder nicht verstehen – Stichwort Lernstandsbericht statt Notenzeugnis – , heißt es noch lange nicht, dass früher alles besser war und wir deshalb dahin zurück müssen. Viel wichtiger ist es doch, dass alle Schüler*innen die bestmöglichen Chancen auf gute Bildung bekommen. Lernen funktioniert über Beziehung, nicht über Ziffern.

„Aber die Kinder wollen Noten. Sie lieben den Wettbewerb!“ – Möglichkeiten zum sich messen, zum Wettbewerb gibt es in der Schule ausreichend und bei jeder Gelegenheit – „Wer als erste oben ist!“ –  und schlechte Noten waren noch nie an sich eine Motivation für mehr freudvolles Lernen, sondern entweder brutaler Stress (Lernen für die nächste Note!) oder führen bestenfalls endlich zu so viel Beziehung und Aufmerksamkeit, durch Lehrkräfte, Eltern oder Nachhilfeunterricht, dass tatsächlich besser gelernt wird – dafür sollte es aber nicht erst eine schlechte Note geben müssen!

Ob wir als GRÜNE die richtigen Rezepte haben, wird sich in der Praxis erweisen müssen. Aber wir haben Rezepte, die Zukunft gestalten will und wird. Rezepte, die dem aktuellen Stand der Wissenschaft gerecht werden. Rezepte, die Teilhabe versprechen.

Lesen/Schreiben/Mathematik und eine gute Berufsausbildung sind wichtige Voraussetzungen für Teilhabe, ebenso wie die Erfahrung von Wertschätzung und Selbstwirksamkeit. Wir brauchen eine Stärkung und Entlastung der Lehrkräfte und der Schulleitungen. Wir brauchen Leuchtturmprojekte. Wir werden den Schulen Mut machen, sich zu inklusiven Lernorten weiter zu entwickeln. Das IQHB (Institut für Qualitätsentwicklung Bremen) wird zentraler Akteur des Fortschritts. Und ja, die Idee der Vorschule finde ich grundsätzlich gut. Aber ich möchte keine Luftschlösser versprechen, sondern endlich Taten sehen! Wir haben an unseren Schulen weder die Räume (kein Platz!) noch das Fachpersonal, um Vorschulklassen einzurichten. Das ist nicht umsetzbar. Darum müssen wir sehr konkret und sofort, die vorhandenen Strukturen in den Kitas fördern und weiter ausbauen. Dann haben wir eine Chance, die ungleichen Startvoraussetzungen, z.B. in der Sprache, der Feinmotorik (Stift halten!) und des sozialen Miteinanders (wie wollen wir zusammen leben&lernen, welche Regeln brauchen wir dafür) vor der Einschulung zu verringern und die Lernerfolge für alle Kinder zu vergrößern.

Bildung ist ein wichtiges, ein großes und ein schwieriges Feld – das lässt sich nicht mit 3 Worten verbessern, auch wenn der Wahlkampf sich das zu wünschen scheint. Augenwischerei und großes Getöse, das sich als heiße Luft entpuppt ist nun das Letzte, was unsere Kinder in Bremen brauchen!

Im Mai wird gewählt. Die Bürgerinnen und Bürger stimmen dann auch darüber ab, wie es mit der Bildung in Bremen weiter gehen soll. „Weiter so“ – das dürfen wir ihnen nicht anbieten. Übrigens auch darum, weil unsere Bremer Wirtschaft, weil Wohlstand und Zufriedenheit der Bürger*innen auf Dauer nur über gute Bildungsarbeit gesichert werden können. Wir haben in der Grünen Bildungskommission hart daran gearbeitet, Schwerpunkte einer neuen Bildungspolitik zu formulieren. Das alles ist eingeflossen in unser Wahlprogramm. Ich picke da mal ein paar Rosinen – heute zum Thema Vorschule/Schule – raus, mit denen wir punkten werden. Hier also :

Meine 10 Punkte für die Bildung

1. Mehr Qualität: Wir unterstützen jede einzelne Schule dabei, besser zu werden. Dafür braucht es eine kontinuierliche Schul- und Unterrichtsentwicklung und eine Verbesserung der Unterrichtsqualität, so wie mehr Entscheidungsfreiheiten für jede Schule. Wir werden Methoden und Inhalte der Schulbildung weiterentwickeln. Unsere pädagogischen Leitlinien sind Inklusion, Demokratiepädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung. Darüber hinaus bergen eine reformierte Pädagogik, die Mischung von Jahrgängen, Projektunterricht, alternative Leistungsbewertungen und Selbstorganisation von Schüler*innen im Klassenrat große Potenziale.
2. Bildungsgerechtigkeit
Noch immer hängt der Bildungserfolg stark vom Elternhaus und vom Wohnort ab. Frühkindliche Bildung, der Ausbau der Ganztagsschule sowie die Förderung von Sprachkompetenz und Mehrsprachigkeit sind die Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit. Die soziale Spaltung der Stadt schlägt sich in der Bildungs(un)gerechtigkeit deutlich nieder: Wir wollen Bildungseinrichtungen mit hohem Sozialindikator die Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen lassen, die sie verdienen. Bei Stellenbesetzungen wollen wir diese Schulen vorrangig behandeln.
3. Bildungsausgaben
Die Umsetzung unserer Ideen für gute Bildung, wie Qualitätsentwicklung und Schulbau, Ganztagsausbau und Inklusion so wie Digitalisierung und Fachkräftegewinnung kostet Geld. Daher verfolgen wir selbstverständlich weiter das Ziel, das Ausgabenniveau pro Schüler*in Schritt für Schritt an die anderen Stadtstaaten anzugleichen.
4. Innovation fördern
Wir wollen innovative Entwicklungsprojekte stärken und unterstützen. Zugleich wollen wir eine Schule des längeren gemeinsamen Lernens von Klasse 1-13 als Modellschule ermöglichen, um Erfahrungen für die Weiterentwicklung des Bildungssystems zu gewinnen. In Skandinavien, Berlin oder NRW führen Langformschulen zum Erfolg der inklusiven Weiterentwicklung, weshalb wir auch in Bremen eine solche Schule ermöglichen wollen.

Der Schulkonsens hat sich bewährt. Er wird 2028 auslaufen. Wir wollen deshalb bereits in der kommenden Legislatur mit den anderen demokratischen Parteien das Gespräch suchen und frühzeitig eine anschließende Weiterentwicklung für den Schulkonsens erarbeiten.
5. Inklusion
Wir treten für ein weites und systemisches Inklusionsverständnis ein. Wir verstehen darunter, die Individualität aller Schüler*innen anzuerkennen und wertzuschätzen, gleich welche Fähigkeiten und Voraussetzungen sie mitbringen. Wir wollen auch die Qualität der Inklusion in KiTas weiterentwickeln und parallel zum „Entwicklungsplan Inklusion“ für Schulen eine verbindliche Grundlage für die Umsetzung der Inklusion in den KiTas schaffen.
6. Frühkindliche Bildung
Frühkindliche Bildung legt den Grundstein für gutes Aufwachsen und eine erfolgreiche Bildung. Die Möglichkeit für jedes Kind im Land Bremen, einen passenden und wohnortnahen KiTa-Platz zu bekommen, ist deshalb von enormer Bedeutung. Dafür braucht es weiterhin KiTa-Neubau und enorme Anstrengungen in der Ausbildung und Gewinnung von Erzieher*innen. Wir wollen die Qualität in der frühkindlichen Bildung verbessern, denn KiTas sollen nicht nur Verwahrorte für Kinder sein. Verbindliche Standards in der Kindertagesbetreuung müssen etabliert werden und, wie in anderen Bundesländern auch, Teil der Zuwendungsverträge zwischen Kommune und Trägern sein.
7. Bessere Chancen für Geflüchtete
Wir wollen zugewanderten oder geflüchteten Kindern und Jugendliche die besten Chancen bieten und setzen uns dafür ein, Vorkurse gut auszustatten und eine sozial- und traumapädagogische Begleitung sicherzustellen. Unser Ziel ist es, allen Kindern und Jugendlichen so schnell wie möglich das Lernen in Regelklassen zu ermöglichen. Junge Geflüchtete verlieren auf der Flucht und in der Zeit davor häufig wertvolle Jahre für Bildung und persönliche Weiterentwicklung, weshalb wir ihnen ohne große bürokratische Hürden besser helfen wollen. Wir wollen Möglichkeiten schaffen, dass sie auch über das 18. Lebensjahr hinaus und während sich länger hinziehender Klageverfahren im Kontext der Altersfeststellungsverfahren eine Schule besuchen können.
8. Bildung und Demokratie
Demokratie benötigt engagierte Bürger*innen. Wir wollen vor allem Jugendliche aller sozialen Gruppen zur Beteiligung ermutigen. Junge Menschen wollen wir fit machen, ihre sprachliche, religiöse, ethnische oder nationale Herkunft zu artikulieren und in den demokratischen Diskurs einzubringen.
9. Digitalisierung
Um die großen Potentiale der digitalen Ausstattung in unseren Schulen ausschöpfen zu können, zum Beispiel die Möglichkeit des direkten digitalen Feedbacks in Übungsphasen von Schüler*innen durch digitale Lernwerkzeuge, muss zum einen der Erwerb von landesweit bereitgestellten Softwarelizenzen abgesichert werden und zum anderen Schulen die Möglichkeit des Erwerbs von für sie passgenauen digitalen Werkzeugen ermöglicht werden. Dafür wollen wir die Lehr- und Lernmittelzuweisungen der Schulen neu aufstellen und neben analogen auch digitale Lehrwerke mit aufnehmen. Angesichts der digitalen Transformation aller Lebensbereiche braucht unsere Gesellschaft kompetente Mediennutzer*innen. Wir unterstützen deshalb medienpädagogische Angebote und die Förderung der Digital- und Medienkompetenz für Menschen jeden Alters auch jenseits klassischer Bildungsinstitutionen.
Die digitalen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft, wie Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Urheberrecht im Netz, Hass und Gewalt in digitalen Räumen, Möglichkeiten der Manipulation, Fake News oder der Umgang mit sozialen Medien spielen eine große Rolle im Leben von uns allen. Wir wollen junge Menschen deshalb in den Schulen gut darauf vorbereiten. Ohne Digital- und Medienkompetenz ist es heute schwierig, sich ausreichend zu informieren, zu beteiligen und wie gewünscht am Leben teilzuhaben.
10. Lehrkräfte entlasten
Wir wollen Lehrkräfte durch die Kürzung der Unterrichtsverpflichtung in Schulen mit hohem Sozialindex entlasten. Die wachsenden Herausforderungen in Schulen können am besten in multiprofessionellen Teams bewältigt werden. Die Kooperation der verschiedenen erzieherischen, sozialen, sonderpädagogischen, psychologischen und lehrenden Fachkräfte auf Augenhöhe stärkt die Handlungsfähigkeit und erhöht die Qualität des Lernens für die Schüler*innen.
Wir wollen mit Gewerkschaften und Verantwortlichen im Land Bremen und anderen Bundesländern und auf Bundesebene in einen Dialog treten, um zu einer zeitgemäßen Definition von Lehrkräftearbeitszeit zu kommen. Diese sollte die vielfältigen Aufgaben und Anforderungen an Lehrkräfte angemessen berücksichtigen und Arbeitszeit auf Basis von Wochenarbeitsstunden und nicht Unterrichtsstunden festlegen.

Wir trauen uns – wir trauen uns zu, Bildung in Bremen neu zu definieren. Und endlich auch wieder Anschluss zu finden an die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen und an die Bedarfe von Wirtschaft und Gesellschaft. 

Unser gesamtes Bildungs- und Wahlprogramm findet ihr hier:

https://gruene-bremen.de/wahlen/gruenes-wahlprogramm-fuer-die-wahl-zur-bremischen-buergerschaft-2023/

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