Emanuel Herold: Havarie für die Hafenkooperation? Zur MSC-HHLA-Kooperation

Der Vorgang stimmt nachdenklich. MSC, die weltgrößte Containerreederei, steigt mit einer Beteiligung von 49,9% bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) ein. Diese Nachricht überraschte einen Tage vor der Nationalen Maritimen Konferenz in Bremen die deutsche Hafenpolitik und die maritime Wirtschaft der Republik. Wenngleich die meisten Details der Einigung noch unbekannt sind, so lehnt man sich nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt: Dieser Deal wird folgenreich sein.

Zunächst ist festzuhalten, dass diese Art der Beteiligung für den deutschen Markt etwas qualitativ Neues ist. Dass große Reeder sich über Joint Ventures an einzelnen Terminals beteiligen, ist seit vielen Jahren weltweit Normalität. (Die geopolitischen Vorbehalte gegenüber der COSCO-Beteiligung in Tollerort klammere ich hier für den Moment aus.) Am Standort Bremerhaven unterhält Eurogate solche Partnerschaften mit Maersk und eben MSC. Der Einstieg beim Hafenbetreiber HHLA, der bisher zu fast 70% vom Land Hamburg gehalten wurde, ist ein Novum.

Mit diesem Schritt zeichnet sich ein Trend der letzten Jahre fort, der einen immer größeren Einfluss der privaten Großreedereien entlang der maritimen Wertschöpfungskette erkennen lässt: Diese global operierenden Konzerne kaufen sich zunehmend in lokale Speditionen und Logistikdienstleister ein und bauen im Hinterland eigene Lagerstrukturen auf. Sie unterhalten zudem in manchen Häfen schon eigene Schlepperflotten. Nun also ein weiterer Privatisierungs- und Konzentrationsschub durch die umfassende Beteiligung an einem öffentlichen Hafenbetreiber.

Aus Hamburger Sicht mag es gute Argumente für diesen Schritt geben. Der Einstieg bringt Kapital in den Hamburger Hafen, was Infrastrukturinvestitionen erleichtert. Zugleich wächst der Einfluss eines privaten Akteurs im Hafen insgesamt. Konkurrierende Reeder are not amused, wie man mit Blick auf Hapag Lloyd und die scharfen Reaktionen von Herrn Kühne feststellen kann. Das ist verständlich, schließlich ist es wenig attraktiv, sich vom direkten Konkurrenten – im buchstäblichen, aber auch übertragenen Sinn – abfertigen zu lassen.

Aber auch für das Verhältnis zwischen den norddeutschen Häfen ist der Vorgang alles andere als trivial. Denn zur Vorgeschichte gehört in chronologischer Reihenfolge: (1) Dass die Gespräche zwischen der HHLA und Eurogate über eine Fusion von acht Terminals in Norddeutschland ergebnislos beendet wurden. (2) Dass die Häfen der europäischen Nordrange, insbesondere die deutschen, im Containerumschlagsgeschäft derzeit eine Talsohle durchschreiten. (3) Dass MSC und Maersk bereits das Ende ihrer Zusammenarbeit in der gemeinsamen „2M-Allianz“ für 2025 angekündigt haben, u.a. aufgrund strategischer Differenzen. (4) Dass die Einigung in Hamburg kam, kurz nachdem MSC seinen Kooperationsvertrag in Bremerhaven um 25 Jahre bis 2048 verlängert hat.

Aus diesen Facetten des Geschehens der jüngsten Vergangenheit ergibt sich das vorläufige Bild vom Marktführer MSC, der sich entlang der schwächelnden Nordrange offensiv neu aufstellt und damit insbesondere in Deutschland eine strukturell dominante Position einnehmen möchte.

Beruhigend wirkt für den Moment, dass Eurogate und MSC bereits erklärt haben, dass weiterhin das vertragliche Einvernehmen darüber besteht, dass gemeinsame Terminal in Bremerhaven („MSCGate“) umfassend zu modernisieren. Das ist aus meiner Sicht von großer Bedeutung, schließlich beschreitet der Senat gerade den Weg in Richtung der Sanierung der Stromkaje, was in den nächsten zwei Dekaden hunderte Millionen Euro an Investitionen erfordert. Dem muss eine massive private Finanzierung in die Umschlagsanlagen (die sog. „Suprastruktur“) zur Seite gestellt werden.

Eher beunruhigend wirkt für den Moment der Umstand, dass MSC in Hamburg Umschlagsgarantien gegeben hat, in Bremerhaven dagegen nicht. Der alte Verdacht, dass die deutschen Seehäfen von den Großreedereien gegeneinander ausgespielt werden, erhält neue Nahrung. Spekulationen über künftige Ladungsverlagerungen anderer Reeder von Hamburg nach Bremerhaven und Wilhelmshaven – gewissermaßen als marktkonformer Racheakt – sind momentan zwar ohne belastbare Grundlage, aber dennoch allgegenwärtig. Vor dem Hintergrund der ergebnislosen Verhandlungen zwischen HHLA und Eurogate drängt sich also als erster Eindruck auf, dass das Prinzip der Konkurrenz zwischen den norddeutschen Ländern gestärkt und alle Reden über „Hafenkooperation“ stark relativiert wurden.

Für eine abschließende Bewertung ist es noch zu früh. Aber mit der neuen MSC-Konstellation steht definitiv die Frage im Raum, wie eine norddeutsche Hafenkooperation mit den drei großen Containerstandorten Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven nun eigentlich funktionieren könnte. Würde man eine Intensivierung von Zusammenarbeit nun hauptsächlich noch zwischen Niedersachsen und Bremen verfolgen, dann wäre darin zwar auch noch einiges Potenzial. Aus grüner Sicht wäre diese Beschränkung allerdings ein hafenpolitischer Rückschritt für den Standort Deutschland insgesamt.

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