Eine widerstandsfähige Gesellschaft?

Monate nach Ausbruch der schlimmsten Gesundheitskrise, die die Welt seit einem Jahrhundert erlebt hat, liegt ein Großteil der Aufmerksamkeit zu Recht darauf, medizinische Lösungen für die Pandemie zu finden, sei es ein Impfstoff, verbesserte medizinische Behandlungen für Menschen mit lebensbedrohlichen Symptomen oder zuverlässige Infektionstests oder resistente Antikörper. Aber parallel zu diesen Fragen gibt es eine weit verbreitete Besorgnis, dass die Bemühungen der Regierungen, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, die schlimmste Wirtschaftskrise dieses Jahrhunderts auslösen werden.

Die Aktienmärkte der Welt sind um etwa 25% eingebrochen, die Arbeitslosenzahlen allein in den USA sind auf über 6 Millionen gestiegen, und die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im Jahr 2020 reichen von 1% in Asien bis zu -6,5% in Großbritannien und -7,5% in der Eurozone. Während die Lock-down-Maßnahmen in vielen Ländern langsam gelockert werden, ist niemand in der Lage vorherzusagen, wann die am schlimmsten betroffenen Sektoren der Weltwirtschaft – Gastgewerbe, Tourismus, Veranstaltungen und Reisen – wieder zur Normalität zurückkehren können. Stattdessen ist die Rede von einer „neuen Normalität„, die auf die Coronakrise folgen wird.

Doch schon bevor COVID-19 zuschlug, suchten die Grünen auf der ganzen Welt bereits nach Lösungen für viele dieser wirtschaftlichen Probleme. Die Grünen in Schottland plädieren dafür, das Öl im Boden zu belassen und „einen fairen Übergang von Qualifikationen und Investitionen (raus aus der Ölindustrie) zu erneuerbaren Energien und nachhaltigen Industrien“ zu unterstützen. Eine Reihe von politischen Parteien und Politikern auf der ganzen Welt treten für ein universelles Grundeinkommen ein, z.B. die Grüne Partei von England und Wales. Und eine Reihe von ökologisch orientierten Ökonomen plädiert seit 1972 für ein wachstumsfreies Wirtschaftsmodell, das innerhalb der Grenzen der endlichen Ressourcen der Erde operiert.

Die COVID-19-Pandemie hat nun alle ausnahmslos mit den folgenden drängenden Fragen konfrontiert:

  • Wie können wir einen Rückgang des Gesamtverbrauchs bewältigen?
  • Wie können wir ohne Industrien und Aktivitäten überleben, die die Umwelt verschmutzen und hohe Treibhausgasemissionen verursachen?
  • Wie können wir sicherstellen, dass wir alle überleben können, während die Wirtschaft eine langsamere Gangart einschlägt?

Diese drei Auswirkungen der Pandemie werden in unserer heutigen Wirtschaftswelt als Probleme betrachtet, die es umzukehren gilt. Doch in Hinsicht auf die Ressourcen der Erde sind sie in jedem Fall tatsächlich wünschenswert. Der Hauptunterschied besteht darin, dass die Grünen und andere schon seit längerer Zeit einen gesteuerten Übergang befürworten, während uns die Pandemie jetzt ohne jede Vorausplanung oder Vorausschau mit diesen wirtschaftlichen Folgen getroffen hat.

In einem kürzlich erschienenen Artikel auf der Website zur stationären Wirtschaft wird argumentiert, dass es einen Silberstreif am Horizont der COVID-19-Pandemie gibt. Was von den BefürworterInnen des Wachstums als „Reichtum“ bezeichnet wurde, kann eigentlich besser als „Krankheiten“ bezeichnet werden, Aktivitäten, die uns selbst und der Umwelt schaden – Lärm und Staus, Landschaftszerstörung, Umweltkatastrophe und Lichtverschmutzung. Tatsächlich wird die Pandemie selbst jetzt teilweise auf unseren „übermäßigen Eingriff in die Natur“ zurückgeführt… Die Lösung ist ein viel respektvollerer Umgang mit der Natur, der auch den Umgang mit dem Klimawandel und allem anderen einschließt.

Interessanterweise ist ein Schlüsselinstrument bei einem geplanten Übergang zu einer verbrauchsarmen, wachstumsfreien und nicht mit fossilen Brennstoffen betriebenen Wirtschaft die Rückbesinnung auf Produktion und Konsum auf regionaler Ebene. Analysten von Treibhausgasemissionen und Regierungen auf der ganzen Welt, die sich derzeit in einem allzu langsamen Übergang zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft befinden, sehen den Verkehr als den problematischsten Sektor an, den Bereich, in dem derzeit keine Emissionsreduzierungen erzielt werden. Samuel Alexander, Forschungsstipendiat am Institut für Nachhaltige Gesellschaft an der Universität von Melbourne, argumentiert zum Beispiel, dass eine Wirtschaft ohne Wachstum mit reduzierten Arbeitszeiten, Anbau unserer eigenen Lebensmittel (so genannte essbare Vorstädte) und viel weniger Welthandel einhergehen wird.

Wird COVID-19 uns zu einem nachhaltigeren Lebensstil zwingen? Wahrscheinlich nicht. Nach dem heutigen Stand der Dinge suchen BesitzerInnen und BetreiberInnen von Bars, Cafés, Restaurants, Hotels, Logistikunternehmen, Fluggesellschaften, Sportorganisationen, öffentlichen Verkehrsmitteln und viele andere nach einem Weg zurück in ihre frühere Existenz. Und die Regierungen konzentrieren sich auf Hilfe, die lediglich eine Lücke überbrückt, anstatt einen vernünftigen Übergang anzubieten. Aber für viele dieser Sektoren wird es keinen Ausweg aus der Krise geben, solange kein verlässlicher Impfstoff gefunden wird. Vielleicht wird sich in den kommenden Monaten, wenn der Impfstoff noch ein Jahr entfernt ist, das Denken ändern. Die Ironie liegt darin, dass die wachstumslose Gesellschaft angesichts einer COVID-19-Pandemie (die unter solchen Umständen wahrscheinlich ohnehin nicht passiert wäre), eine viel widerstandsfähigere, weniger verletzbare Gesellschaft gewesen wäre.