Prozess zur Wahlaufarbeitung einleiten

Das Wahlergebnis bei den Bürgerschaftswahlen 2023 ist ein herber Schlag für unseren Grünen Landesverband. Mit 11,9% haben wir im Vergleich zur letzten Wahl 5,5% verloren. Auch bei den Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung und bei den Wahlen der bremischen Beiräte mussten Verluste hingenommen werden, die weitestgehend aber nicht ganz so ausgiebig waren wie bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft. In einer ersten und schnellen Analyse[1] lässt sich folgendes festhalten:

  • Wir haben die Altersgruppe 16-24 nicht mehr erreicht, wie wir es gewohnt sind. Wir sind hier mit 16% noch hinter SPD (20%) und Linke (17%) gefallen.
  • Dass wir ältere Wähler*innen nicht erreichen, ist kein neues Phänomen, bei dieser Wahl haben wir aber auch hier besonders schlecht abgeschlossen und nur 6% der über 60 jährigen überzeugen können, ein Kreuz bei uns zu setzen.
  • Frauen haben uns 7% weniger gewählt als noch 2019.
  • Denkwürdig sind die geringen Zufriedenheitswerte mit unserer Arbeit im Senat (21%). Dies lässt sich nicht (nur) durch einen vermeintlich schlechten Wahlkampf erklären, sondern ist ein Zeugnis für die gesamte Legislatur. SPD (47%)und Linke (38%) konnten hier weitaus bessereErgebnisse erzielen.
  • Diese mangelnden Zufriedenheitswerte spitzten sich mit nur 18% bei unserer Spitzenkandidatin Maike Schaefer zu.
  • Auch bei Kompetenzzuschreibungen mussten wir in allen abgefragten Themenbereichen Verluste hinnehmen. Für uns besonders schmerzlich sind sicherlich die hohen Verluste im Klimabereich (minus 24% im Vgl. zu 2019), bildet dies doch den einzigen Kompetenzbereich ab, wo den Grünen eine hohe Kompetenz zugetraut wird.

Zur Kampagne und strategischen Schwerpunktsetzung:

Zentrale Festlegungen zur inhaltlichen Schwerpunktsetzung wurden im Herbst/Winter 2022 getroffen. Zu dieser Zeit war das Szenario einer Gasmangellage mit entsprechenden Folgen prägend, es sah danach auch, dass auch der Wahlkampf in Bremen extrem bundespolitisch geprägt sein wird. Ziel war, die inhaltliche Profilierung der Partei zu erweitern, um neue Wähler*innenschichten anzusprechen und die erwarteten Sorgen der Bevölkerung aufzunehmen. Ein Fokus wurde auf den Dreiklang. „Wirtschaftspolitik – soziale Sicherheit – Klimaschutz“ gelegt. Das hat nicht funktioniert. Wir konnten es inhaltlich nicht genug unterfüttern, und dadurch glaubhaft zu Grünen Themenschwerpunkten machen. Für die Grüne Partei ist das Bekämpfen der Klimakrise elementar, wir wissen, dass die Maßnahmen dazu einschneidend sind. Wir haben es nicht geschafft, die Sorgen vieler Personen vor der persönlichen Überforderungen (im materiellen Sinne) abzufedern. Ziele Grüner Politik haben anscheinend keine Mehrheiten in der Gesellschaft angesprochen, sondern stattdessen Ängste ausgelöst. Es ist uns nicht gelungen, unsere Grundwerte glaubhaft zu vertreten und mit einem Angebot für alle zu verknüpfen.

Das Wissen um die mangelnden Beliebtheitswerte der Spitzenkandidatin lag zwar vor, aber es ist uns nicht gelungen, das Image umzukehren und mit überzeugenden Zukunftskonzepten zu untermauern. Das Thema „Verkehr“ sollte nicht thematisiert werden, da es als polarisierend und negativ wahrgenommen wird. Auch der Berlinwahlkampf zeigte, dass sich mit einer Polarisierung im Wahlkampf rund um das Thema Verkehrswende für die Grünen die erstrebte Milieuerweiterung nicht machen lässt. Gleichwohl haben Regierungshandeln und die Opposition uns das Thema immer wieder aufgezwungen, ohne dass wir durch das Thema Mobilität für alle durch den ÖPNV positiv etwas entgegensetzen konnten. Wir waren selbst vielen Angriffen ausgesetzt, haben aber selbst zu wenig Angriffe auf die politischen Mitbewerber*innen gefahren.

Die Aufarbeitung des Wahlergebnisses:

Das schlechte Wahlergebnis ist ein Beleg dafür, dass wir Fehler in der strategischen Ausrichtung des Wahlkampfes gemacht haben, aber auch dafür, dass unsere Grüne Politik über die gesamte Legislaturperiode hinweg nicht ausreichend überzeugen konnte, dass dies nicht so sein muss, zeigt ein Blick auf die Wahlergebnisse in Kiel. Es wird nun die Aufgabe sein, diese Entwicklung und die Gründe gemeinsam aufzuarbeiten. Dazu hat die LGS in Absprache mit dem Landesvorstand die Rahmenplanung für einen solchen aufgesetzt. Die Kreisvorstände sind bis Ende Mai aufgerufen, diese Planung mit weiteren Anregungen zu unterfüttern.

Der Aufarbeitungsprozess soll der Leitfrage folgen: Wie müssen wir uns aufstellen, damit die Menschen in Bremen und Bremerhaven wieder das Vertrauen in uns haben, dass mit unserer Politik ein Beitrag geleistet wird, damit ihr ganz
persönlicher Alltag besser wird. Das Konzept sieht drei Präsenztermine vor, in denen vier zentrale Themenblöcke diskutiert werden sollen: Inhalte, Personal, Organisation und Kommunikation. Das Ziel der Auswertungsveranstaltungen ist, Lehren aus dem Wahlkampf zu ziehen und dabei zielgerichtet in die Vorausschau zu blicken. Es soll also nicht nur um eine Vergangenheitsanalyse gehen, sondern Verbesserungsmöglichkeiten für kommende Wahlkämpfe sowie die gesamte Arbeit über die kommende Legislatur hinweg formuliert werden. Die drei Auswertungstermine sollen vor Beginn der Sommerferien starten und den Beginn eines Prozesses darstellen in dem wir auch von externer Perspektive Gebrauch machen wollen.

Positiv möchten wir an dieser Stelle auf den hohen Grad der Mobilisierung vor allem in den letzten zwei bis drei Wochen vor der Wahl eingehen. In Bremerhaven und Bremen waren sehr viele Mitglieder tagtäglich im Einsatz, um für Grüne Ziele zu werben. Wir haben Fortschritte darin gemacht, dass mitgliederstarke Kreisverbände jenen helfen, die weniger aktive Mitglieder haben. Die Kommunikation hierzu hat besser funktioniert, als bei früheren Wahlkämpfen. Trotzdem bleibt hier noch Luft nach oben, um insbesondere in den Stadtteilen, die alles andere als Grüne Hochburgen sind, mehr Präsenz zeigen zu können.

Die Landesmitgliederversammlung beauftragt den Landesvorstand, die Ergebnisse der drei Termine in einem zentralen Abschlusspapier zu formulieren, welches der LMV im Herbst 2023 vorzulegen ist.

[1] Quellen Infratest Dimap
(https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-aktuellethemen.shtml;
https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-kandidaten.shtml;
https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2023-05-14-LT-DE-HB/umfrage-kompetenzen.shtml)
und Forschungsgruppe Wahlen
(https://www.forschungsgruppe.de/Wahlen/Wahlanalysen/Newsl_Brem190606.pdf)