Mit grüner Finanzpolitik aus der Klimanotlage!

Beschluss des Landesvorstands, 09.05.2022, gemäß dem Mitgliedervotum vom 30.04.2022

Die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für Bremen 2030“ beschreibt wohl so genau wie noch keine politisch verständigte Klimastrategie eines Bundeslands den Weg zur Klimaneutralität – und damit die zweifellos riesige Aufgabe, die jetzt vor uns liegt. Sie beschreibt aber auch, was dafür notwendig ist – und dazu gehören auch erhebliche Mengen Geld. Schulgebäude, Krankenhäuser und Behörden müssen energetisch saniert werden, Straßenbahnlinien ausgebaut und Busse angeschafft werden, Photovoltaikanlagen installiert und Förderprogramme aufgelegt werden. Die Finanzbedarfe der Enquete summieren sich damit nach ersten Schätzungen auf wohl mindestens sieben Milliarden Euro Investitionen für Kommunen und Land, dazu kommen rund 200 bis 400 Millionen Euro jährlicher Ausgaben für Personal, Betriebskosten und Förderprogramme.

Ein Blick auf den Haushalt des Landes Bremens zeigt schnell, dass diese Größenordnungen nicht mal eben aus dem Haushalt finanziert werden können. Das liegt auch daran, dass ein Großteil der Haushalte bereits vorfestgelegt ist, beispielsweise durch Transferleistungen oder Personalausgaben, und dass unsere eigenen Möglichkeiten für eine gerechte Steuerpolitik sehr begrenzt sind. In der Vergangenheit hat das dazu geführt, dass einige Klimaschutzinvestitionen aus finanziellen Gründen nicht geleistet wurden, weil in den Haushaltsberatungen andere Prioritäten gesetzt wurden. Dieser Weg ist für die Zukunft keine Option mehr. Wir müssen die Klimastrategie der Enquetekommission als Ganzes umsetzen, es reicht nicht, sich einzelne Projekte herauszupicken oder erste Prioritäten zu erledigen und andere Maßnahmen auf später zu schieben. Wenn wir das tun, verlassen wir den Pfad des Pariser Klimaschutzabkommens, den die Enquetestrategie schon heute nur knapp einhalten kann.

Wie kann die Transformation zur Klimaneutralität also gelingen, wenn uns das Geld fehlt? Zunächst ist klar, dass auch bei der Finanzierung der Klimaschutzmaßnahmen gelten muss, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten. Wo Emissionen durch Ordnungsrecht – also durch Vorgaben statt Fördermittel – verringert werden können, muss dies Vorrang haben, wie beispielsweise mit der Solarpflicht und dem Landeswärmegesetz. Auch Maßnahmen, die gleichzeitig dem Klimaschutz dienen und selbst zur Finanzierung beitragen, wie beispielsweise die Parkraumbewirtschaftung, müssen eine starke Rolle spielen. Und schließlich gilt weiterhin, dass in den Haushalten des Landes Bremen Prioritäten so gesetzt werden müssen, dass Klimaschutz darin eine zentrale Rolle spielt.

Aber auch mit diesen Schritten wird es nicht gelingen, die Transformation aus dem Haushalt zu finanzieren. Deshalb wird es auch um Schulden gehen müssen. Für die Freie Hansestadt Bremen, die bereits mit über 22 Milliarden Euro verschuldet ist, ist diese Frage immer schmerzhaft. In den vergangenen Jahren ist es mit erheblichem Einsatz gelungen, die Neuverschuldung Bremens zurückzufahren und erstmals einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Auch wenn Corona am Ende in die Quere kam: Das war und ist ein Erfolg und Verdienst grüner Finanzpolitik, die Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit ernst nimmt. Wir stehen deshalb weiterhin zur Schuldenbremse.

Aber Generationengerechtigkeit verlangt von uns auch, im Falle von konkurrierenden Interessen abzuwägen. Wenn Klimaneutralität nur mit Schulden gelingt und ein ausgeglichener Haushalt nur mit einem Bruch des Pariser Klimaschutzabkommens, dann ist klar, dass die grüne Null der Klimaneutralität wichtiger sein muss als die schwarze Null der Haushaltspolitik.

Vor über zwei Jahren hat die Bremische Bürgerschaft die Klimanotlage ausgerufen, weil die Klimakrise keine Krise wie jede andere ist, weil sie eine existenzielle Bedrohung für unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven darstellt, und weil unsere bisherigen Mittel nicht ausreichten, diese Krise zu bekämpfen. Diese Realität muss sich jetzt auch in der Bremischen Finanzpolitik widerspiegeln. Das bedeutet, dass die Klimakrise als außergewöhnliche Notsituation im Sinne der Schuldenbremse anerkannt wird.

Damit wäre es möglich, innerhalb der gültigen Regelungen zur Schuldenbremse Kredite aufzunehmen, um die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise zu finanzieren. Genau so, wie wir aktuell auch für die Coronakrise die Notsituation anerkannt haben und Kredite aufnehmen, um auf die Krise zu reagieren und volkswirtschaftlichen Schaden abzuwenden. Und wir wissen, dass die Schäden durch die Klimakrise um ein Vielfaches größer wären.

Mit dem Finanzgutachten der Enquetekommission hat der Verfassungsrechtler Prof. Wieland dargelegt, dass die Klimakrise eine solche außergewöhnliche Notsituation darstellt. Seine Begründung unterstreicht, weshalb die Bekämpfung der Klimakrise kein Politikbereich wie jeder andere ist: Weil die Bundesländer eine Verfassungspflicht zur Bekämpfung der Klimakrise haben – eine Pflicht, die laut Prof. Wieland so nur für den Klimaschutz gilt, nicht in gleichem Maße für die Bekämpfung von Bildungsungerechtigkeit oder sozialer Ungleichheit, obwohl auch das ja zweifellos zentrale Aufgaben des Staates sind.

Im Finanzgutachten wurden mehrere Möglichkeiten dargestellt, die notwendige Transformation zu finanzieren. Das Anerkennen der Klimakrise als außergewöhnliche Notsituation im Sinne der Schuldenbremse ist der wohl klarste und transparenteste Weg. Er vermeidet finanzpolitische Manöver oder Schattenhaushalte, die grüne Finanzpolitik über Jahre bekämpft hat, und begrenzt Kreditaufnahmen gleichzeitig klar auf den einen Zweck, für den sie laut Prof. Wieland eine Rechtfertigung haben, nämlich die Bekämpfung der Klimakrise.

Diesen Schritt sollten wir in unserem Bundesland gehen. Die Freie Hansestadt Bremen muss die Klimakrise als außergewöhnliche Notsituation im Rahmen der Schuldenbremse anerkennen und so die notwendigen Investitionen in die Zukunft ermöglichen, falls eine Finanzierung durch Bundesmittel nicht möglich ist.

Dafür braucht es allerdings klare Regeln. Dieser Schritt darf kein Freibrief für grenzenlose Ausgaben sein, für die mühsam ein Zusammenhang mit dem Klimaschutz konstruiert wird. Es braucht eine klare Begrenzung auf Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise. Und auch dann gilt weiterhin Sparsamkeit als Leitlinie grüner Haushaltspolitik. Wir fordern die politischen Akteur*innen in Bremen auf, diesen Weg zu unterstützen.

Bremen und Bremerhaven werden von diesen Milliardeninvestitionen profitieren, weit über die Klimaneutralität hinaus. Viele der Maßnahmen refinanzieren sich selbst, allen voran die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude, die später Heizkosten spart und damit Haushalte entlastet, wenn die Kredite getilgt werden. Die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur machen Bremen lebenswerter und sichern Zugang zu Mobilität für alle Bremer*innen und Bremerhavener*innen. Schüler*innen profitieren von modernisierten Schulgebäuden. Bremen wird unabhängig von fossilen Energieimporten autokratischer Staaten. Und Investitionen in Klimaschutz sind in einer Welt, in der Klimaneutralität die Zukunft ist, auch Investitionen in den Wirtschaftsstandort Bremen.

Klar ist aber auch: Gerechter wäre es, wir kämen ohne Kreditfinanzierung aus. Gerechter wäre eine Finanzierung durch den Bund, getragen von denjenigen in unserer Gesellschaft, die es sich leisten können. Die privaten Vermögen in Deutschland sind so hoch wie nie. Jetzt gilt, dass bei der Bekämpfung der Klimakrise starke Schultern mehr tragen müssen: durch eine gerechte Besteuerung von Konzernen und das Schließen von Steuerschlupflöchern, aber auch durch einen gerechten Beitrag von Menschen mit großen Einkommen, Vermögen und Erbschaften. Denn Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Der Bund hat das Pariser Klimaschutzabkommen unterschrieben. Viele Maßnahmen müssen aber von den Ländern und Kommunen umgesetzt werden. Das gilt auch für Maßnahmen zur Stärkung der Energiesicherheit, die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weiter an Bedeutung gewonnen hat. Bremen soll deshalb mit der grün getragenen Bundesregierung verhandeln, wie sie die Voraussetzungen dafür schaffen wird, dass alle staatlichen Ebenen ihren Beitrag zum Erreichen dieses Ziels leisten können. Mit zusätzlichen Kreditermächtigungen für den Klima- und Transformationsfonds hat die Koalition im Bund bereits neue finanzielle Spielräume für mehr Klimaschutzinvestitionen eröffnet. Wir wollen erreichen, dass dieser Fonds auch für Klimaschutzinvestitionen der Länder und Kommunen geöffnet wird. Zudem müssen Kofinanzierungsanteile in Bundes- und EU-Programmen so aufgeteilt und notfalls gesenkt werden, dass sie vor allem kleinere Länder finanziell nicht überfordern, etwa beim dringend notwendigen Umbau der Industrie und dem Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur.

Wir wollen gemeinsam auf Bundesebene erreichen, dass diese Möglichkeiten genutzt und Ländern und Kommunen ausreichende Finanzmittel bereitgestellt werden, um die so dringend notwendige sozial-ökologische Transformation zur Klimaneutralität zu realisieren – auch ohne neue Schuldenberge. Falls eine Finanzierung durch den Bund nicht gelingt, muss Bremen alle eigenen Möglichkeiten ausschöpfen, die notwendigen Mittel für die Bekämpfung der Klimakrise bereitzustellen. Eine zeitlich und sachlich auf die Bekämpfung der Klimakrise und das Erreichen der Klimaneutralität begrenzte Kreditaufnahme ist dafür der richtige Weg.