Koalition legt Leitplanken für Gewerbeentwicklungsprogramm 2030 vor 7. Oktober 2021 Heute haben SPD, Grüne und Linke im Rahmen des Koalitonsausschusses gemeinsam Leitplanken für das Gewerbeentwicklungsprogramm (GEP) 2030 vorgelegt. Infos zum Thema findet ihr in dieser Pressemitteilung des Senats in der Pressemitteilung der Grünen Bürgerschaftsfraktion und in der Meinung an Freitag von Emanuel Herold zum Thema. Hier folgt der Beschluss des Koalitionsausschusses zum GEP2030: 1. Vorbemerkung Die kommenden 10 Jahre werden von starken Umbrüchen in der Wirtschaftsstruktur und in der gewerblichen Flächennutzung geprägt sein, die mit den Stichworten Klimaschutz, Strukturwandel, Digitalisierung sowie ökologische Transformation industrieller Kerne gekennzeichnet sind. Das GEP2030 muss für diesen Übergang die Weichen stellen und die kommunale Wirtschaftsförderung in die Lage versetzen, ihn zu begleiten und die ökologischen wie ökonomischen Herausforderungen anzunehmen. Dies ist die Voraussetzung, um auch zukünftig Arbeitsplätze in allen Qualifizierungsgruppen und in einem breiten Spektrum an Branchen und Tätigkeiten zu sichern und neu zu schaffen. Nur mit einer entsprechenden Neuausrichtung der Wirtschaftsflächenentwicklung kann Bremen das drängende Ziel einer klimaneutralen Ökonomie mit der Sicherung der Arbeitsplätze als Industriestandort verbinden. Die Flächenreserven der Stadt sind endlich. Ein Ausgreifen in den bislang nicht erschlossenen Außenbereich jenseits der bisherigen Siedlungsgrenze kann, über die bereits festgesetzten Erschließungsflächen in den vorhandenen Gewerbegebieten hinaus, keine nachhaltige Strategie sein, den gewerblichen Flächenbedarf zu decken. Der weitgehend geschlossene Grüngürtel um die städtische Siedlungszone ist von einer hohen ökologischen, klimatischen und sozialen Wertigkeit; er muss auch weiterhin geschützt werden. Auch die innerstädtischen blau-grüne Infrastrukturen, insbesondere die Kleingartengebiete, bündeln wichtige ökologische und soziale Funktionen. Am Übergang zur Flächenkreislaufwirtschaft führt daher kein Weg vorbei. 2. Airport City Auf dem Betriebsgelände des Flughafens sollen die Voraussetzungen für die Mobilisierung von Flächen für eine gewerbliche Entwicklung geklärt werden. Um insbesondere den gewerblichen Nutzungen der Luft- und Raumfahrtindustrie, die den direkten Zugang zur Rollbahn benötigen, Flächenperspektiven aufzeigen zu können, soll gemeinsam mit der SWH und der FBG eine Machbarkeitsstudie für gewerbliche Flächenentwicklung auf dem bestehenden Betriebsgelände des Flughafens erstellt werden, die im Einklang mit der bestehenden Planfeststellung des Flughafens steht. Das betrifft vor allem eine ca. 25 ha große Fläche im südöstlichen Teil des Flughafenareals. Hierbei sollen insbesondere mögliche Wirkungen auf den Flughafen (Betriebserlaubnis, Immissionsschutz etc.) sowie Möglichkeiten einer verkehrlichen Erschließung geprüft werden, die unabhängig von der B6n erfolgen kann und nicht von deren Realisierung abhängig ist. Wenn die Prüfung positiv abgeschlossen wird, könnten im stark nachgefragten Gewerbegebiet Airport City neue Gewerbeflächen erschlossen werden, die innovative Beiträge für das „Flugzeug von morgen“ ermöglichen, ohne über die Grenzen des FNP hinauszugehen. Im Einklang mit der Entwicklungsstrategie „Zukunftsweisende Wirtschaftsstandorte“ muss die künftige gewerbliche Bebauung in den Bereichen Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversität Vorbildcharakter haben. 3. Dispositionsreserve Die Dispositionsreserve bezeichnet den jeweils aktuellen Vorrat an vollständig erschlossenen, vermarktbaren gewerblichen Flächen in kommunalem Eigentum, die Unternehmen zur Betriebserweiterung, Neuansiedlung oder Umstrukturierung angeboten wird. Eine Fläche ist Bestandteil der Dispositionsreserve, wenn Straßen (ohne Nebenanlagen) und Entwässerung hergestellt, das Grundstück aufgehöht und sanierungsbedürftige Altlasten beseitigt wurden sowie Baurecht besteht. Die kommunale Vermarktung stellt nur einen Teil des gewerblichen Flächenumschlags dar, aber einen strategisch wichtigen. Durch sie können Bedarfe erfüllt werden, die für die wirtschaftliche Entwicklung erwünscht sind, aber auf dem privaten Flächenmarkt kein passendes oder leistbares Angebot finden. Im Zuge einer ‚dichter‘ werdenden Stadt nimmt die Bedeutung dieser Funktion weiter zu. Zudem ist die Dispositionsreserve ein wichtiges Instrument zur Ansiedlungspolitik Bremens. Reservierte Flächen sind Teil der Dispositionsreserve. Der Umgang mit reservierten Flächen soll der Maßgabe folgen, jede Entscheidung über eine Reservierungsverlängerung mit konkreten Fortschritten in der Realisierung des jeweiligen Vorhabens zu begründen. Je länger eine Reservierung andauert, desto kritischer ist das Projekt und seine Aussicht auf abschließende Realisierung zu evaluieren. Bei unzureichendem Fortschritt ist die Reservierung aufzuheben und die betreffende Fläche wieder dem Markt zugänglich zu machen. Das Gebiet Farge-Ost gehört weiterhin zu den Flächen, die aktiviert werden sollen, wird aber aktuell nicht zur Dispositionsreserve gerechnet, da es keine absehbare Nachfrage gibt. Im GEP2020 betrug die Zielgröße für die Dispositionsreserve 100 ha, etwa das Dreifache der jährlichen Vermarktung. Diese Zielgröße besteht aktuell weiter. Sie soll aber innerhalb der nächsten 2 Jahre durch ein neues, differenzierteres System von Kennzahlen ergänzt werden, das genauer angibt, welche Flächenangebote für unterschiedliche Nachfragegruppen in den verschiedenen Stadtregionen bereitgehalten werden sollen. Für Projekte der Innenentwicklung und Nachverdichtung kann z.B. die Angabe der Bruttogeschoßfläche zielführender sein als die Angabe der Bodenfläche. Die bisherigen, jährlichen Umsetzungsberichte sollen künftig entsprechend weiterentwickelt werden und detailliertere Entwicklungsberichte zu den einzelnen Gewerbestandorten in Bremen und zur gesamtstädtischen Gewerbeflächenentwicklung beinhalten. Im Zuge des Übergangs zur Flächenkreislaufwirtschaft wird die Dispositionsreserve immer weniger durch Neuerschließung im Greenfield gefüllt werden können. Der Anteil an Brownfield-Flächen muss also stetig steigen. Dafür soll in den nächsten 2 Jahren eine generelle, verbindliche Strategie mit den erforderlichen Instrumenten formuliert werden, um auch in Zukunft weiterhin ein kommunales Angebot an vermarktungsfähigen Flächen bereitzuhalten, das neben dem privaten Flächenumschlag steht und diese Funktion der kommunalen Wirtschaftsförderung aufrechterhält. Ein Verzicht auf eine Dispositionsreserve in öffentlicher Verfügung ist keine Option. Wie bisherige Bilanzierungen zeigen, kann die Entwicklung von Konversionsflächen im Brownfield eine hohe Arbeitsplatzdichte und Produktivität erreichen, auch wenn bisherige Gewerbeflächen in eine gemischte Flächennutzung überführt werden. Bestimmte Flächenbedarfe sind dagegen nur schwer aus Konversionsflächen zu bedienen, das gilt insbesondere für Flächen für nicht integrierbares, störendes Gewerbe, Industrieflächen, oder große zusammenhängende Flächenangebote. Um den Vorrat an bislang ungenutzten gewerblichen Entwicklungsflächen in den ausgewiesenen Gewerbegebieten so lange wie möglich zu strecken, ist es erforderlich, die Dispositionsreserve in schnell steigendem Maße auch aus dem Brownfield zu füllen. Handelskammer und Arbeitnehmerkammer haben gemeinsam eine Reihe von kleineren Flächen vorgeschlagen, die sich zügig für eine gewerbliche Nutzung entwickeln und bereitstellen lassen. Soweit im vorliegenden Papier nicht bereits darauf eingegangen wurde, sollen diese Anregungen in eine kurzfristig zu erarbeitende Planung einfließen, aus der hervorgeht, welche Beiträge zur Auffüllung der Dispositionsreserve auf diese Weise in den nächsten zwei Jahren geleistet werden können. 4. Strategische Vergabe Maßstab für einen erfolgreichen Einsatz der Dispositionsreserve ist nicht, möglichst viel Fläche zu vermarkten, sondern diejenigen Nutzungen zu ermöglichen, die über den privaten Flächenmarkt nicht zustande kommen würden. Leitgedanke bei Vergaben ist die strategische Relevanz für den Bremer Standort, d.h. die Ansiedelung, Erweiterung oder Verlagerung von Firmen muss zur sozial-ökologischen Transformation der Wirtschaft sowie zur Stärkung der Wirtschaftskraft, der Sicherung vorhandener und der Schaffung neuer Arbeitsplätze beitragen. Bedarfe für Erweiterungen von bereits ansässigen Unternehmen müssen ebenfalls angemessen Berücksichtigung finden. In Anlehnung an die Begrifflichkeit der Innovationsstrategie 2030 sollte daher von einem angebotsorientierten auf einen „missionsorientierten“ Umgang mit der Dispositionsreserve umgestellt werden. D.h. die Vergabe von Flächen sollte auf die Sicherung der Entwicklungsperspektiven von Branchen und Betrieben mit besonderer wirtschaftsstruktureller Relevanz abzielen (industrielle Kerne, handwerkliche Betriebe, Innovationscluster, Startups und Social Entrepreneurship etc.). Auch die nachhaltige Transformation der hiesigen Cluster erzeugt einen Flächenbedarf. Mit den vorhandenen Flächenreserven ist eine solche strategische, standortbezogene Vergabe möglich: in der Hansalinie für Automotive, im Bremer Industrie-Park für die Stahlwerke, auf dem Flughafengelände für die Luft- und Raumfahrt, in den Hafengebieten und dem GVZ für die Logistik. In Gewerbegebieten mit hoher Lagegunst kommt auch dem Heben von Flächenpotentialen durch effizientere und spezifischere Nutzung eine erhebliche Bedeutung zu. Im westlichen Teil der Airport City bestehen z.B. relevante Umnutzungspotentiale, die angegangen werden müssen. 5. Gewerbeschutz Der Übergang zur Flächenkreislaufwirtschaft setzt voraus, dass gewerbliche Flächen in sehr viel stärkerem Maße als bisher vor einer Umnutzung geschützt werden. Dies gilt insbesondere für die kleineren von Wohngebieten umschlossenen „Gewerbeinseln“. Hier ist eine planungsrechtliche Absicherung erforderlich: Gewerbeinseln, die nicht baurechtlich geschützt sind, sollen als „Gewerbeschutzgebiete“ gesichert werden. Gewachsene gemischte Lagen sollen vor Verdrängung geschützt werden, ggf. auch mit baurechtlichen Instrumenten. Bei Brachflächen, für die eine Konversion in Frage kommt, soll ein Prüfverfahren frühzeitig klären, ob und ggf. wie die gewerbliche Nutzung fortgesetzt werden kann. Dabei darf der Bodenwertgewinn nicht den Ausschlag geben. Kommt dieses Prüfverfahren zu dem Ergebnis, dass eine Konversion sinnvoll ist, sind im Sinne der Strategie „Neue Orte der Produktiven Stadt“ die Voraussetzungen der gewerblichen Arbeit zu sichern und konkrete gewerbliche Flächenanteile zu definieren. Der Bestand an Flächen für Industrie und störendes, nicht integrierbares Gewerbe darf in Summe nicht kleiner werden. Ein Teil dieser Flächen liegt in den Hafengebieten. Daher ist ein abgestimmtes Vorgehen für die zukünftige Flächenentwicklung notwendig und muss seinen Niederschlag sowohl im GEP 2030 als auch im Hafenkonzept 2030 finden. Das schließt einen ressortübergreifenden Arbeitsprozess zur Entwicklung der innerstädtischen Häfen (insbesondere des Neustädter Hafens) und des GVZ ein. Dabei sollen auch die Bedürfnisse der angrenzenden Stadtteile nach einer wirksamen Begrenzung von Belastungen mit aufgegriffen werden. 6. Interkommunale Kooperation Bremens Bemühungen um eine Kooperation mit den die Gemeinden des Regionalverbunds im Rahmen interkommunaler Gewerbeentwicklungen sollen – vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Pilotprojekt Achim-West – weiter intensiviert werden und müssen die Ziele des GEP2030 widerspiegeln. Bei der angestrebten Erarbeitung einer interkommunalen Wirtschaftsflächenstrategie sind die Ziele einer flächeneffizienten Nutzung, des Klimaschutzes und des Landschaftsschutzes zu berücksichtigen. 7. Ökologische Zwischennutzung Im Zuge der Novellierung des Waldgesetzes muss es Ziel sein, eingetretenen Bewuchs in bestehenden Gewerbegebieten, der den Tatbestand der Bewaldung erfüllt, als ökologische Zwischennutzung einzustufen, damit eine gewerbliche Entwicklung nicht verhindert wird („Natur auf Zeit“). Das betrifft aktuell die Gebiete Nußhorn und Reedeich an der Senator-Apelt-Straße. Darüber hinaus sollen geeignete, entsiegelte, brachliegende Gewerbeflächen, die noch nicht für eine baldige Vermarktung bestimmt sind, zur Zwischennutzung mit entsprechenden Blühflächen insektenfreundlich aufgewertet werden. Dies beeinträchtigt nicht die auch kurzfristig mögliche, endgültige Nutzung. 8. Kleingartengebiete Die Kleingartengebiete stellen einen wichtigen Bestandteil der Flächennutzung dar, der ökologisch und sozial bedeutsame Ziele erfüllt. Sie sind keine Potenzialfläche für gewerbliche Entwicklungen. Das Brachfallen von Parzellen muss jedoch genauer als bisher betrachtet werden, um auch weiterhin eine aktive Flächennutzung zu gewährleisten. Dabei kann im Einzelfall auch eine Umwidmung eine mögliche Option sein. Diese kann nur im Einvernehmen mit den Vereinen geschehen. Innerhalb der nächsten 2 Jahre soll ein entsprechendes Monitoring-System aufgebaut werden, um belastbare Daten über die Nachfragesituation zu gewinnen. 9. Horner Spitze Das Potentialgebiet „Horner Spitze“ soll zur Erweiterung des Technologieparks gewerblich entwickelt werden. Gemeint ist das im FNP schraffierte Gebiet, das in etwa eine Dreiecksfläche südlich der Bahnstrecke, westlich der Straßenbahnlinie 6 und entlang des Riensberger Abzugsgrabens bildet. Dies betrifft nicht die sogenannte „Munte“-Fläche. Künftige gewerbliche Nutzungen müssen die Synergie zwischen der Universität und privatwirtschaftlichen Akteuren befördern. Um Bremen in dieser Weise als Standort für Zukunftstechnologien weiter zu stärken, muss ein Entwicklungskonzept für den Technologiepark inklusive der Fläche „Horner Spitze“ aufgestellt werden. 10. Handlungsfähigkeit Die Realisierung von Vorkaufsrechten oder von Ankaufsoptionen, ebenso wie die Wahl alternativer Vermarktungs- und Sicherungsoptionen (Erbbaurecht, Rückkaufrecht, Vorbehalt für spezifische Nutzungen) muss jederzeit möglich sein. Wo dies nicht durch bestehende Strukturen bereits hinreichend gewährleistet ist, werden ergänzende Voraussetzungen geschaffen (Ankaufsfonds, Grundstücksgesellschaft). Der Wechsel zu einer verstärkt ganzheitlichen Betrachtung der Gewerbeentwicklung und der gewerblich genutzten Flächen in der Stadt bringt neue Aufgaben und Anforderungen mit sich. Sie reichen vom Gewerbegebietsmanagement über das Monitoring gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen bis zu Strukturen einer ‚missionsorientierten‘ Entwicklung herausgehobener Lagen, ressortübergreifenden Entwicklungsteams und strategischer Zielplanung. Dafür sind entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen erforderlich, die nicht aus einem Substanzverbrauch kommunaler Flächen refinanziert werden dürfen.