Der Standort Bremen ist geprägt von einer vielgestaltigen und leistungsstarken Wirtschaft. Kleine, mittlere und große Unternehmen leisten bedeutende Beiträge in Industrie und Produktion, in Logistik und Handel, in einem breit gefächerten Dienstleistungssektor sowie innovationsfreudigen Forschungs- und Entwicklungsfeldern. Unsere Stadt profitiert erheblich durch die entsprechenden Beschäftigungs- und Steuereffekte, durch die überregionale und internationale Ausstrahlung der hier ansässigen Unternehmen und die vielfältigen Ausbildungsperspektiven für junge Menschen.
Durch die Globalisierung ökonomischer Beziehungen hat die Stadt Bremen in der Vergangenheit prägende Erfahrungen mit wirtschaftsstrukturellen Umbrüchen gemacht. Die politische Lektion dieser Erfahrungen muss sein, Umbrüche aktiv mitzugestalten, um sie nicht nur zu erleiden. In unserer Zeit wirken gleich mehrere Megatrends auf Unternehmen und Arbeitnehmer*innen ein und stellen sie vor dauerhafte Herausforderungen: Klimawandel, Digitalisierung und demografischer Wandel verändern Geschäftsmodelle und Lieferketten, Arbeits- und Produktionsprozesse, Berufsbilder und Qualifikationsanforderungen und damit die Entwicklungsperspektiven ganzer Betriebe und Belegschaften.
Vor diesem Hintergrund ist klar: Die Aufstellung eines neuen Gewerbeentwicklungsprogramms für die Zeit bis zum Jahr 2030 darf sich nicht mit alten Rezepten zufrieden geben. Im Gegenteil müssen gemeinsam mit den Akteur*innen vor Ort neue Wege beschritten werden, um die Grundlagen für eine Wirtschaft mit Zukunft schaffen. Es ist also von herausragender Bedeutung, das GEP 2030 nicht als simples Flächenausweisungsvorhaben zu behandeln. Die tiefgreifenden Folgen der genannten Megatrends verlangen eine politische Antwort, die sich nicht allein in Hektar messen lässt.
Es ist eine „missionsorientierte“ – mehr zu diesem Stichwort im grünen Mitgliedermagazin 1/21, S.17 – Neujustierung der wirtschaftspolitischen Ziele und Instrumente erforderlich, um den Wirtschaftsstandort Bremen für die Zukunft aufzustellen. Die Koalition ist hierbei schon wichtige Schritte gegangen: Neben den industriellen Clustern finden nun auch branchenübergreifende Schlüsseltechnologien, ohne die der Aufbruch in eine sozialökologisch nachhaltige Zukunft nicht gelingen kann, einen systematischen Platz in der bremischen Wirtschaftspolitik. Darüber hinaus stellt sich Bremen mit der Entwicklungsstrategie „Zukunftsweisende Wirtschaftsstandorte“ einer doppelten Aufgabe: Die historisch gewachsenen Gewerbestandorte Bremens müssen für künftige Extremwetterereignisse vorbereitet werden. Des Weiteren muss die Transformation industrieller und wirtschaftlicher Prozesse unterstützt und neue Gewerbegebiete mit ökologischem Vorbildcharakter entwickelt werden.
Diese konzeptionellen Arbeiten liefern die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfeste Wirtschaftsflächenpolitik im engeren Sinne. Da sich Bremen den Zielen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet und damit den Weg in Richtung Klimaneutralität eingeschlagen hat, entstehen für die Entwicklung gewerblicher Flächen besondere Herausforderungen in einer historisch neuen Situation.
Zwar benötigt die sozialökologische Transformation der Bremer Wirtschaft Platz: Für die Absicherung unserer industriellen Kerne, welche im kommenden Jahrzehnt diese Transformation vollziehen werden, müssen bedeutende Flächenpotenziale erschlossen werden, wie z.B. in der Hansalinie für Automotive, im Bremer Industrie-Park für die Stahlwerke oder auf dem Flughafengelände für die Luft- und Raumfahrt.
Aber Nachhaltigkeit und Klimaneutralität können nicht Ziele wirtschaftspolitischen Handelns im 21. Jahrhundert sein, ohne dass dies seinen Niederschlag in der Art und Weise der Wirtschaftsflächenentwicklung findet. Das bedeutet vor allem, dass die Flächenneuinanspruchnahme (vereinfacht: der „Flächenverbrauch“) reduziert und perspektivisch gestoppt werden müssen, um die unversiegelte Landschaft und ihre unverzichtbaren Ökosystemleistungen zu schützen.
„Bremens Flächen sind wertvoll und endlich“: Aus dieser Beobachtung müssen echte Konsequenzen gezogen werden. Eine Fortführung der bisherigen Erschließungs- und Vermarktungspraxis würde in kürzester Zeit Bremens verbliebene Flächenreserven erschöpfen. Zugleich entstünden keinerlei Anreize, um neue Kapazitäten und Kompetenzen in den Bereichen der Bestandsentwicklung, Nachverdichtung und Innenentwicklung aufzubauen. Es bliebe bei der althergebrachten Logik ungebremster Flächenneuausweisung, die alle umwelt- und klimapolitischen Bekenntnisse ad absurdum führen würde.
Die Koalition ist sich einig, dass das nicht der Weg sein kann. Mit der heute vorgestellten Einigung zum GEP 2030 wird deutlich, dass ein Wendepunkt in der Gewerbeflächenentwicklung erreicht ist, der einen Übergang zu einer Flächenkreislaufwirtschaft verlangt. Das Ziel ist also, wirtschaftliches Wachstum und Flächenverbrauch voneinander zu entkoppeln. Dabei gilt der Grundsatz, die vorhandenen Flächenreserven der öffentlichen Hand umsichtig einzusetzen: Sie sind im Sinne der genannten Zielsetzungen strategisch zu vergeben, wobei eine höchstmögliche bauliche und ökonomische Flächeneffizienz in der konkreten Grundstücksnutzung anzustreben ist. Als Grüne haben wir in den kommenden Jahren die Aufgabe, die genannten konzeptionellen Weichenstellungen konkret in der Praxis zu verankern – ein echter politischer Kraftakt, aber ein absolut notwendiger zugleich!
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