Helga Trüpel: Zwischenruf zur Documenta 15

Jetzt ist die schlechtest mögliche Variante der diesjährigen Documenta eingetreten.

Die Macher*innen sind zurecht mit dem Antisemitismusvorwurf konfrontiert.

Das Konzept der Documenta 15 sollte dem Globalen Süden endlich mehr Sichtbarkeit für seine Anliegen geben und zur Aufarbeitung des Kolonialismus beitragen. Ein richtiges und wichtiges Ziel!

Aber das ist nun nicht erreicht worden.

Warum? Weil es den Verantwortlichen des Kunstwerks, People’s Justice von 2002  von Taring Padi, einem Kollektiv,  und den Verantwortlichen der Documenta 15 an Selbstreflektion und politischer Analyse mangelt. Sie nehmen für sich in Anspruch, dass das Kunstwerk, ein Wimmelbild, schon über 20 Jahre alt ist, und die Macht- und Unterdrückungsgeschichte Indonesiens darstellt und anprangert.

Aber wenn wir uns auf Augenhöhe bewegen wollen, was zurecht unser Anspruch ist, dann muss auch von diesem indonesischen Kunstwerk verlangt werden, dass es nicht in Stereotype der Menschenfeindlichkeit zurückfällt. Auch wenn es 20 Jahre alt ist, ist es nicht zu rechtfertigen, dass es Stereotype von Juden zeigt. Auch indonesische Künstler*innen bewegen sich in einer globalen Bilderwelt, wo sie wissen (sollten), dass solche Stereotype zu recht überall verpönt sein sollen.

Das Kollektiv Taring Padi entschuldigt sich: „Als Zeichen des Respekts und mit großem Bedauern decken wir die entsprechende Arbeit ab, die in diesem speziellen Kontext in Deutschland als Beleidigung empfunden wird.“ Aber es handelt sich hier nicht nur um eine deutsche Empfindlichkeit, sondern um Stereotype, die überall geächtet sind oder es sein sollten.

Globalisierung bedeutet auch, sich über die Bildsprache und Ästhetik in verschiedenen Kulturkreisen bewusst zu sein.

Die Perspektive des Globalen Südens, so wichtig sie ist bei der Kritik des Kolonialismus und bestehender aktueller Ungleichheiten, ist trotzdem falsch,  wo sie alle Wertungen vom Prinzip der weißen Suprematie ableitet und damit auch die Juden als Feinde der BIPOC, als Kolonisatoren gesehen werden.

Solche totalisierenden Konzepte des  Weißseins, das alle Weißen als notwendigerweise rassistisch versteht, und deren Opfergeschichte, wie bei den Juden nicht wahrnehmen kann,  wird den verschiedenen Gruppen und ihren berechtigten Ansprüchen nicht gerecht.

So wie wir in den westlichen Ländern allen Grund zu Selbstreflexion und Selbstkritik in Bezug auf Macht- und Ausbeutungsstrukturen haben, so haben auch die Vertreter*innen des Globalen Südens die Aufgabe, ihre eigenen Framings kritisch zu hinterfragen.

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