Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft Migration: Legalisierung von Papierlosen

 

Die Landesarbeitsgemeinschaft Migration & Flucht hat auf ihrer Sitzung am 10. April 2022 folgenden Beschluss gefasst:

„Wer sich im Bundesgebiet ohne eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Duldung aufhält, gilt als
Papierlos. Diese Personengruppe, die im Land Bremen aus schätzungsweise 4000 Personen besteht, ist
von Marginalisierung, Ausbeutung und Existenznot überdurchschnittlich stark betroffen. Papierlose
haben kaum bzw. eingeschränkten Zugang zur sozialen Daseinsvorsorge und Sicherungssystemen,
werden in der Arbeitswelt ausgebeutet und an den gesellschaftlichen Rand gedrängt. Erwerbstätigkeit,
die Kita-Anmeldung oder die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln – das für andere Menschen
selbstverständliche Bewegen im öffentlichen Raum – birgt für Papierlose immer das Risiko, entdeckt,
kontrolliert, bestraft oder abgeschoben zu werden. Auch die Inanspruchnahme von bürgerlichen
Grund- oder Schutzrechten ist für Papierlose immer risikobehaftet. Die Teilnahme an Demonstrationen
und Versammlungen stellt ebenfalls ein Risiko dar, ferner können illegalisierte Menschen die
Schutzfunktion von Polizei, Justiz oder anderweitiger staatlichen Unterstützung nicht in Anspruch
nehmen, ohne eine Abschiebung zu riskieren, wenn sie zum Beispiel Opfer von Ausbeutung oder
Gewalt anderer Natur werden. Sie und ihre Familien sind äußerst vulnerabel für ausbeuterische Wohnund
Arbeitsverhältnisse, sexuelle Ausbeutung, Ausnutzung und Abhängigkeit bis hin zu
Menschenhandel.

Die Gründe, durch die Menschen in die Papierlosigkeit geraten, sind sehr unterschiedlich. In den
meisten Fällen liegt eine unerlaubte Einreise vor oder ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis läuft
aus. Oft liegen aufenthaltsrechtliche Duldungsgründe vor, den Betroffenen fehlen aber die
Informationen oder Möglichkeiten, um diese auch geltend machen zu können. Das Leben ohne Papiere
drängt Menschen nicht nur in sehr prekäre Lebensbedingungen, sondern häufig auch in die illegale
Beschäftigung und teilweise auch in die Straffälligkeit.

Die stichtagsgebundene Altfallregelung soll die Wege aus der Papierlosigkeit erleichtern, um
prekärsten Lebensbedingungen mitten unter uns vorzubeugen und Folgeerscheinungen, wie
Lohndumping und behördlichen Kontrollaufwand zu minimieren.
Das Aufenthaltsrecht sieht die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen vor. Demnach
können die Verwurzelung und Bindung an einem Ort sowie sozialem Umfeld als Grund für die
Erteilung betrachtet werden. Mit dem Regelungsvorschlag zur stichtagsgebundenen Altfallregelung
soll der bestehende rechtliche Rahmen genutzt werden können, um den Status von Menschen, die für
längere Zeit illegal im Land Bremen gelebt haben, zu legalisieren.

Das Ziel ist es Wege aus der Papierlosigkeit zu erleichtern. Daher heißt es auch in der
Koalitionsvereinbarung, dass für „die Gruppe der „Papierlosen“, die bestimmte Kriterien erfüllen, […]
eine stichtagsgebundene Altfallregelung“ getroffen werden soll (S. 124).
Das Einrichten einer Clearingstelle, an die die Betroffenen sich vertrauensvoll wenden können ist
nicht ausreichend, um die o.g. prekären Lebensbedingungen und den Folgeerscheinungen
vorzubeugen, auch wenn sie eine sinnvolle Ergänzung zur Stichtagsregelung darstellt.
Wir erkennen an, dass die Umsetzung der neuen Regelungen mit Herausforderungen einhergeht und
Bremen hiermit juristisches Neuland betritt. Dies darf aber nicht davon abhalten, eine Lösung
auszuprobieren, auf die sich die Koalitionäre nicht nur verbindlich geeinigt haben, sondern die
politisch geboten ist, weil sie die Lebensrealität einer Vielzahl von sich im Landesgebiet Bremens
aufhaltenden Menschen dramatisch verbessern würde, die aktuell in prekäre Umstände gedrängt
werden. Das politische Fenster, das sich durch die Wahl der neuen Bundesregierung und dem Wechsel
im Bundesinnenministerium vollzogen hat, gilt es zu nutzen, da hier im Gegensatz zum ehemaligen
Bundesminister nicht mit politischer Behinderung von Vorhaben, die menschenfreundliche
Regelungen implementieren wollen, zu rechnen ist.

Nur wenn Bremen vorangeht und den bestehenden rechtlichen Rahmen – also die Erteilung von
Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen – zu Gunsten der Legalisierung des Status von
„Papierlosen“ nutzt, kann die Herstellung von menschenwürdigen Lebensverhältnissen erfolgen. Daher
fordern wir, dass mit der stichtagsgebundenen Altfallregelung gemäß Koalitionsvertrag die rechtlichen
Voraussetzungen für die Legalisierung von Papierlosen geschaffen werden im Rahmen der bereits
bestehenden rechtlichen Bestimmungen.“