Beschluss beim digitalen Parteitag: „Menschen aus Lipa jetzt aufnehmen! Illegale Pushbacks stoppen!“

Seit jeher war das bosnische Camp Lipa trotz Zusagen der lokalen Regierung nie an das zentrale Wasser- und Stromnetz angeschlossen. Nachdem die IOM (Internationale Organisation für Migration) über Wochen vergeblich an die bosnische Regierung appelliert hatte, das Camp Lipa zumindest mit einer Strom- und Wasserversorgung auszustatten, sah sie sich dazu gezwungen, das Camp aufzugegeben und die Menschen sich selbst zu überlassen. Die bosnischen Behörden räumten daraufhin das Lager. Als Reaktion auf die ohnehin schon verzweifelte Lage wurde Feuer gelegt – ein Großteil des Lagers brannte ab. Seitdem harren ca. 900 Menschen ohne Heizung, Wasser, Lebensmittel und Medikament bei Schnee und Eis ohne Dach über dem Kopf aus.

Eine Weiterflucht wird durch die Polizei verhindert. Geschätzte 8.000 weitere Schutzsuchende harren währenddessen im Norden Bosniens in wilden Camps aus, weil die anderen Lager in Bosnien voll sind. Eine Versorgung durch die Behörden gibt es nicht, sie werden vor allem von Aktivist*innen unterstützt. Mittlerweile ist bekannt, dass die bosnischen Behörden das Lager Lipa wiederaufbauen wollen, da sie sich auf keinen anderen Ort verständigen können.

Es ist falsch, die politische Verantwortung einzig in Bosnien-Herzegowina zu suchen, denn die Umstände in den Lagern gehen vor allem auf die Auswirkungen der EU-Abschottungspolitik zurück. Die meisten Menschen, die in Bosnien gestrandet sind, waren zuvor als Schutzsuchende in Griechenland und wurden dort von den Behörden sich selbst überlassen. Die Balkanroute blieb für sie der einzige Ausweg. Zeitgleich riegelt die EU seit Jahren die kroatisch-bosnische Grenze ab und drängt Schutzsuchende in illegalen Pushbacks, die durch erhebliche Sachspenden der Bundesregierung an die kroatische Grenzpolizei unterstützt werden, mit Gewalt nach Bosnien zurück. Statt also mit dem Finger auf Bosnien-Herzegowina zu zeigen, muss die EU sichere und legale Wege aus Bosnien in die EU schaffen und illegale Pushbacks beenden.

In der Verantwortung steht auch die Bundesregierung, die während ihrer Ratspräsidentschaft migrationspolitisch komplett versagt hat. Statt die EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen und nach den unzähligen Appellen von Hilfsorganisationen insbesondere die Lager Kara Tepe und Lipa winterfest zu machen und den über 200 aufnahmebereiten Städten und Kommunen die Evakuierung zumindest eines Teils der notleidenden Menschen zu ermöglichen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf Abschottung, Abschreckung und deckt illegale Push-Backs.

Es kann nicht zu viel verlangt sein, als größtes EU-Land während der EU-Ratspräsidentschaft für eine Wasser- und Stromversorgung in Zelt-Lagern wie Lipa oder Kara Tepe zu sorgen, um zumindest der größten Not vorzubeugen. Stattdessen hat es die Bundesregierung nicht einmal geschafft, innerhalb von drei Monaten (obwohl sie darum von der griechischen Regierung explizit gebeten wurde) die versprochenen 1553 Menschen aus Griechenland aufzunehmen. Stattdessen hat sie darauf gedrängt, dass keine der Familien aus dem Lager Moria stammt, mit der zynischen Begründung, man wolle die Menschen nicht dafür belohnen, dass „sie“ das Lager in Brand gesteckt hätten.

Auch das Einsperren der Menschen im Zelt-Lager Kara Tepe oder das Aussetzen von Menschen auf manövrierunfähigen Plastikinseln auf dem Meer sind Ausdruck einer brutalen Abschreckungspolitik. Dass 87 % der Deutschen eine Aufnahme von Menschen aus Moria unterstützen, ignoriert die Bundesregierung und genauso, dass sich elf EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Portugal, Slowenien) sowie Norwegen und Serbien an den Aufnahmen beteiligen. Dabei tut sie so, als könne sie nicht handeln, da andere ja auch nichts tun würden. Eine Verweigerung von Verantwortung mit den aufgezeigten katastrophalen Konsequenzen.

Ein Landesaufnahmeprogramm würde den Schutzsuchenden eine Perspektive in Sicherheit geben und durch die Entlastung gleichzeitig den bosnischen Behörden die Möglichkeit geben, sich um neue Übergangsquartiere für den Winter zu kümmern.

Die Landesmitgliederversammlung möge beschließen:

1. Forderungen auf Bundesebene:

a) Wir fordern weiterhin, dass der Bremer Senat sich der Klage des Berliner Senats gegen die Ablehnung der Landesaufnahmeanordnungen seitens des Bundesinnenministeriums anschließt und eine langfristige Klärung der Länderrechte im Aufnahmerecht herbeiführt.

b) Wir fordern die Bundesregierung erneut mit Nachdruck auf, die Blockade der zahlreichen Hilfsangebote von Städten, Kommunen und Bundesländern zu beenden und endlich eine schnelle und unbürokratische Aufnahme notleidender Menschen zu ermöglichen.

c) Wir fordern die Bundesregierung auf, unverzüglich die bosnischen Behörden dabei zu unterstützen, eine winterfeste und menschenwürdige Unterbringung für die nach der Zerstörung des Camps Lipa obdachlos gewordenen Menschen bereitzustellen.

d) Wir fordern die Bundesregierung auf, illegale Push-Backs der griechischen und kroatischen Polizei nicht weiter zu decken, sondern sich für die lückenlose Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen einzusetzen und sicherzustellen, dass es keinerlei Beteiligung deutscher Einsatzkräfte an illegalen Push-Backs gibt.

2. Forderungen auf Landesebene:

a) Wir fordern den Senat auf, ein Landesaufnahmeprogramm für die in Bosnien festsitzenden Schutzsuchenden aufzulegen. Dies ist aufgrund der Dringlichkeit der Situation zeitnah und in erheblichem Ausmaß auszugestalten.