Hermann Kuhn zur Bundestagswahl 27. Februar 2025 Ich meine… …dass natürlich in der grünen Partei auch wieder grundsätzlich über den politischen Kurs gestritten wird, wenn das Wahlergebnis nicht unseren Zielen, Erwartungen und Hoffnungen entspricht – gerade wenn wir einen wirklich besonders engagierten Wahlkampf hinter uns haben. Eine der in meinen Augen fatalen Erzählungen, die jetzt in der Partei verbreitet werden, heißt: „Der Versuch eines grünen Mitte-Kurses ist gescheitert.“ Diese Erzählung steht in diametralem Gegensatz zu dem, was Robert Habeck am Montag vor der Presse erklärt hat, sie steht im Gegensatz zur Botschaft unseres Führungsduos im Wahlkampf und zum einmütig beschlossenen Wahlprogramm. Robert Habeck ist angetreten als „Bündniskanzler“ – kann man das vom politischen Rand her? Er hat die CDU scharf kritisiert für deren katastrophalen Fehler der Bundestagsabstimmung, aber er hat daran festgehalten, dass wir den Rechtsextremismus nur bekämpfen können, wenn die politische Mitte gemeinsam gesprächs- und handlungsfähig bleibt. Deshalb hat er daran festgehalten, dass wir auch eine Zusammenarbeit mit der konservativen CDU nicht grundsätzlich ausschließen dürfen und wollen – nicht um „um jeden Preis“ in die Regierung zu kommen, sondern um die Demokratie handlungsfähig zu halten. Wohin eine berechtigt scharfe Kritik führen kann, wenn sie in grundsätzliche Verweigerung umschlägt, konnte man ja in Österreich studieren: Zum Regierungsbildungsauftrag für die Rechtsextremen, Gottseidank dann noch einmal gescheitert. Richtig ist, dass die politische Mitte in dieser Wahl geschwächt worden ist: Durch die bewusst polarisierende Politik der AfD, der Merz im Bundestag auf den Leim gegangen ist; und durch die polarisierende Gegenbewegung, die der Linken das Überleben gerettet hat. Das ist auch Ergebnis der seit Längeren anhaltenden Verwechslung von Kampf gegen Rechtsextreme = Feinde der Demokratie und „Kampf gegen rechts“, wobei auch die CDU fern der Realität so weit dämonisiert worden ist, dass jede mögliche Zusammenarbeit mit ihr ein „Verrat“ sei. Das wird als einfache Botschaft gelobt, ist aber gerade deshalb gefährlicher Unsinn. Es stimmt, dass gegenwärtig die Polarisierungsunternehmer gewinnen – aber deshalb kann es auf gar keinen Fall die Politik der Grünen sein, an dieser Polarisierung auch noch teilzunehmen. Eine besondere Rolle in dieser Erzählung spielt dann noch Habecks Intervention mit dem 10-Punkte-Papier zur Migrations- und Sicherheitspolitik. Er habe damit, so z.B. Alexandra Geese (grüne MdEP) in einer Stellungnahme, zur „Diskursverschiebung“ nach rechtsaußen beigetragen. Das ist so bösartig wie falsch. Dieses Papier war der Versuch, in einer aufgewühlten öffentlichen Debatte nach den Mordtaten konsequent auf die Geltung des Rechts, gerade auch des Asylrechts, und auf die Durchsetzung des Rechtes zu orientieren, das Handeln des Staates darauf auszurichten und damit soweit es geht für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Das nämlich ist eine grundlegende Aufgabe jeden staatlichen Handelns. Was sind dann die Gründe dafür, dass wir unter unseren Zielen und Möglichkeiten geblieben sind? Neben der Polarisierung, für die die Fehler der CDU mitverantwortlich sind und die auf der anderen Seite (für sie erfolgreich) mit Gegenpolarisierung beantwortet worden ist, sehe ich drei Dinge. Zum einen Fehler im Wahlkampf: Das kommunikative Desaster um die Erweiterung der Sozialversicherungspflicht und den Fall um den Grünen Gelbhaar in Berlin, mit teils bereits als falsch erwiesenen Vorwürfen und dem Abschied von der Unschuldsvermutung. Grundsätzlicher hat sich die schwierige Situation ausgewirkt, in der die Klimaschutzbewegung insgesamt geraten ist; auf die „Trotzreaktion“ großer Teile der Gesellschaft hat sie ja (und wir) noch keine adäquate Antwort gefunden. Andere Themen standen so im Vordergrund, gerade auch bei jungen Menschen. Und der zentrale Grund für den mangelnden Erfolg ist natürlich das Scheitern der Ampel gewesen, der schwere Mühlstein im Wahlkampf. Und wir konnten auch nicht wirklich sagen, dass wir daran einfach unbeteiligt gewesen wären. Dass unser Kanzlerkandidat „schuld“ sei an der Rezession, war natürlich angesichts der langen Fehlentwicklung in Zeiten Großer Koalition Demagogie, machte es uns im Wahlkampf aber nicht leicht. Vor 40 Jahren haben die ersten Grünen in der Bremischen Bürgerschaft mit Erfolg dafür gekämpft, dass sie in der Mitte des Parlaments sitzen und Politik machen, nicht eingemauert im alten Rechts/Links-Schema. Wir sollten da unbedingt sitzen bleiben, da werden wir gebraucht. Hermann Kuhn — Die „Meinung am Freitag“ (MaF) ist ein Meinungsformat der GRÜNEN im Land Bremen. Sie hat den Zweck, fernab von Veranstaltungen eine Kommentierung politischer, gesellschaftlicher oder parteiinterner Ereignisse zu ermöglichen. Die Beiträge geben stets ausschließlich die persönliche Meinung der Autor*in wieder, nicht die der gesamten Partei. Möchtest du auch einen Meinungsbeitrag einreichen? Dann sende uns deinen Beitrag plus ein Foto von dir bis spätestens Mittwoch, 12 Uhr mittags an info@gruene-bremen.de.