Hermann Kuhn: Meinung zum Asylrecht

Ich meine,…
… dass wir auch beim Asylrecht über Grenzen und Regeln sprechen müssen.

In der Diskussion auf der letzten LMV über Migrationspolitik ging es in meiner Wahrnehmung weniger um konkrete Fragen als vielmehr um allgemeine Strategien und Prinzipien. Zum einen darum, ob wir einige Wochen vor der Europawahl noch verstehen, welchen nicht ersetzbaren Wert Einigungen auf europäischer Ebene haben, die – so unbefriedigend sie empfunden werden – doch in jedem Fall besser sein werden als die auseinander und gegeneinander strebenden Politiken der meisten Mitgliedstaaten. Die Mehrheit der Versammlung hat das nicht so gesehen, ein schlechter Start unseres Wahlkampfs für die hohe Bedeutung europäischer Institutionen und Zusammenarbeit.

Und vor allem ging es um die grundsätzliche Frage von Begrenzungen. Einer der entscheidenden Sätze, der starke Unterstützung in der Versammlung erhielt, lautete: „Wir müssen allen helfen (die zu uns kommen wollen).“ (Und wer das nicht so sehe, betreibe „das Geschäft der Rechten“). Ich bin anderer Meinung. Wer „allen“ helfen will, damit also faktisch für eine Politik der offenen Grenzen plädiert, der würde am Ende niemanden mehr so helfen können, wie wir es wollen. Begrenzungen müssen sein. Damit ist nicht die unsinnige Idee von „Obergrenzen“ für Asylanträge gemeint. Gemeint sind auch Grenzen bei der Organisation von Fachkräfteeinwanderung: da werden natürlich Kontingente mit Zahlen festgelegt wie in den Staaten, die das mit Erfolg schon praktizieren.

Die zentrale „Grenze“ ist das Asylrecht selbst. Die Gewährung von Asyl ist an bestimmte Kriterien geknüpft, nach denen Anträge bewilligt oder abgelehnt werden. Der Wunsch nach einem „besseren Leben“, so verständlich und legitim er ist, gehört nicht dazu. Wir wissen alle um die praktischen Schwierigkeiten von Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber, da wird viel Unsinn geredet. Aber es geht hier um unsere grundsätzliche Haltung. Wer die Legitimität der Ablehnung eines Asylantrags insgesamt in Frage stellt und nach dem Motto verfahren will, „alle müssen ins Land kommen und dann auch bleiben können“ und „wir sind gegen jede Abschiebung, denn jede Abschiebung ist menschenverachtend“, auch der stellt den Kern des Asylrechts in Frage.

Die „Grenzen“ des Asyls sind Verfahren und Regeln, und das Vertrauen auf die Einhaltung dieser Regeln. Untersuchungen haben mehrfach gezeigt, dass es auch in Deutschland eine eindeutige Mehrheit für die Aufnahme von Menschen in Not gibt, und auch für deren schnelle und nachhaltige Integration. Keine Mehrheit gibt es für Regellosigkeit, verbunden mit dem Eindruck des daraus folgenden Verlustes von Kontrolle. Mit einem solchen Eindruck beschädigen wir die Akzeptanz unseres Asylrechts, aber auf die wir sind zwingend angewiesen. So hat es auch die Mehrheit des letzten grünen Parteitags gesehen. Eine Politik, die keinerlei Aussicht hat, eine Mehrheit für ihre Umsetzung zu finden, mag sich gut anfühlen. Aber sie ist kein Beitrag zu dem Schutz von Menschen, für den wir eintreten. Das geht auf die Dauer nur mit der Achtung der Regeln des Asylrechts insgesamt.

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