Helga Trüpel: Grüne Widersprüche, über die es sich zu sprechen lohnt

Wir sind über das Wahlergebnis in Thüringen und Sachsen schockiert. Auch wenn es nicht unerwartet kam, ist das Abschneiden von AFD und BSW als zwei autoritären Parteien erschreckend.

Gleichzeitig haben wir Grüne massive Probleme, gewählt zu werden und Vertrauen zu erhalten.

Ich glaube, dass hängt auch mit internen Widersprüchen zusammen, die wir nicht diskursiv bearbeiten.

Grüne haben sich seit ihren Anfängen für Minderheitenrechte stark gemacht. Das ist gut so. Dennoch meine ich, dass wir über Übertreibungen und Unwuchten sprechen müssen und diese auch korrigieren müssen. Das heißt,  eigene grüne  Antworten zu geben, nicht anderen hinterherlaufen.

Wir argumentieren, dass, wenn man härtere Regeln in der Migrationspolitik will, folge man dem rechten Diskurs. Aber andersrum gilt es auch: Wenn man keine Lösungen anbietet, macht man die Rechtspopulisten stärker. Existierende Probleme darf man nicht leugnen. Dann besetzen andere sie.

Migration ist für viele Menschen ein Triggerpunkt. Das nehmen wir nicht ernst genug.

Klimapolitik ist das wichtigste Thema für uns Grün , aber wir buchstabieren es nicht so aus, dass es im Alltag funktioniert.

Wir müssen die Zeitschiene ernster nehmen und die Dringlichkeit der Veränderung trotzdem nicht leugnen. Das bleibt ein schmerzlicher Zielkonflikt.

Also es geht um Entschiedenheit und Augenmaß gleichzeitig.

Wir bekämpfen den rechten Kulturkampf, sind aber viel leiser beim linken Kulturkampf und beim Islamismus. Z.B. hat es lange gedauert, bis wir eine Haltung zu antisemitischen Bildern auf der Documenta gefunden hatten.

Das ist eine Unwucht.

Wir unterschätzen, dass Kultur nicht nur zusammen führt, sondern auch spaltet. Nur eine Kultur, die auf Demokratie und Rechtsstaat fußt, führt Menschen zusammen.

Wir treten vehement für den Rechtsstaat ein, verteidigen ihn gegen die AFD.  Aber wenn Asyl rechtsstaatlich  abgelehnt wurde, teilen wir das oft nicht.

Wir wollen den Menschen zuhören, Migration und Kriminalität sind  für viele Menschen ein großes Problem. Wir bestreiten das, wie Ricarda Lang es gerade nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen gemacht hat.

Wir wollen inklusive und einfache  Sprache, aber viele verstehen LGTBQI-Regeln als ausschließend, weil sie z.B. viele Begriffe wie intersektionalen Feminismus kontraintuitiv  finden.

Geschlechtergerechte Sprache ist für viele Menschen ein Triggerpunkt. Wir stellen uns auf die Seite der Aktivist*innen.

Mehr Lockerheit in diesen Fragen, mehr Freiheit fände ich gut bei klarer Betonung, dass Rechte für alle Menschen gleich sein müssen.

Die „Meinung am Freitag“ (MaF) ist ein Meinungsformat der GRÜNEN im Land Bremen. Sie hat den Zweck, fernab von Veranstaltungen eine Kommentierung politischer, gesellschaftlicher oder parteiinterner Ereignisse zu ermöglichen. Die Beiträge geben stets ausschließlich die persönliche Meinung der Autor*in wieder, nicht die der gesamten Partei.

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