Bei Schutz der Bevölkerung vor den Folgen der Corona-Pandemie nicht nachlassen!

Die politischen Parteien haben in der Demokratie den Auftrag, wesentlich zur politischen Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger beizutragen. Voraussetzung dafür ist die Willensbildung innerhalb der Parteien, die Abwägung unterschiedlicher Interessen, Sichtweisen und Wertentscheidungen. Das gilt auch für grundsätzliche Fragen des Umgangs mit der Corona-Pandemie, selbst wenn die Entscheidungen Woche für Woche in der Regel bei Parlamenten und Regierungen liegen werden.

Deshalb äußert sich die Landesmitgliederversammlung von Bündnis 90/Die Grünen Bremen:

1. Die SARS-CoV-2-Pandemie ist weltweit, national und regional weiterhin eine große gesundheitliche, soziale und ökonomische Bedrohung für die Bevölkerung. Trotz der großen Erfolge in der Entwicklung von Impfstoffen ist gegenwärtig ein Ende dieser Bedrohung nicht absehbar. Daher sind weiterhin wirksame Maßnahmen zur Eindämmung dieser Pandemie erforderlich, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems zu erhalten.

2. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand schützen die verfügbaren Impfungen in hohem Maß vor einer Erkrankung mit Covid-19, vor einem schweren Krankheitsverlauf bei einer Erkrankung und bei einem schweren Krankheitsverlauf vor dem Versterben. Dieser Schutz ist nicht vollständig, reduziert sich im Zeitverlauf und ist unterschiedlich lange wirksam je nach Vakzin und je nach Altersgruppe. Zudem handelt es sich nicht um eine sterile Immunisierung, so dass auch Geimpfte das Virus übertragen können. Maßnahmen zur Reduzierung von Infektionen sind daher auch bei einer hohen Impfquote erforderlich.

3. Die Übertragung des Virus findet durch menschliche Kontakte statt. Diese Kontakte sind bei einer exponentiell steigenden Anzahl von Infektionen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens sowie der Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems zu vermindern. Eine möglichst weiterhin rechtsfeste gesetzliche Grundlage für verfassungskonforme Eingriffe in Grundrechte, wie sie bisher der §28a des Infektionsschutzgesetzes vorsah, muss deshalb in dieser oder anderer adäquater Form bestehen bleiben. Dazu gehören Maßnahmen der Kontaktreduzierung, Einschränkungen privater Zusammenkünfte, Betriebs- und Einrichtungsschließungen, sowie das Verbot öffentlicher Veranstaltungen. Diese Maßnahmen können, der konkreten Lage entsprechend, geeignet, erforderlich und angemessen – und damit auch verhältnismäßig – sein, da eine hohe Zahl infizierter Personen sowohl bei Ungeimpften als auch bei Geimpften zu einem deutlich erhöhten Risiko für eine Erkrankung, für einen schweren Verlauf der Erkrankung und für das Versterben führt. Leider müssen wir feststellen, dass die epidemische Notlage nationaler Tragweite nach eindeutiger Faktenlage nicht beendet ist. Bis auch hier ein gleichwertiger Ersatz gefunden wird, wird der §5 des Infektionsschutzgesetzes weiterhin gebraucht.

4. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand können ungeimpfte Personen in einem höheren Maße das Virus übertragen als Geimpfte. Zumindest für Beschäftigte in personennahen Dienstleistungsbereichen ist daher eine Impfpflicht erforderlich. Dies gilt insbesondere für die stationäre und ambulante medizinische Versorgung, die ambulante und stationäre Langzeitpflege und die frühkindliche und schulische Erziehung. Zum nachhaltigen Schutz der Gesundheit und des Lebens sowie zur Vermeidung der Überlastung des Gesundheitssystems fordern wir die Vorbereitung zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht, unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen.

5. Nach der im bundesweiten Vergleich erfolgreichen Grundimmunisierung in Bremen ist es nun erforderlich, die bewährten Strukturen für eine zügige Drittimpfung zu reaktivieren und zusätzlich zu den ambulanten medizinischen Versorgungsstrukturen dezentrale und zentrale Impfzentren zu verstärken. Wir erwarten, dass die in Bremen bewährte Infrastruktur erneut verstärkt genutzt wird, um die Booster-Impfungen und auch die Impfungen der 12- bis 18-Jährigen (ggf. nach einer Empfehlung der StIKo auch der 5 – 12-Jährigen) zu beschleunigen und möglichst flächendeckend durchzuführen (Persönliche Aufforderung nach Impfdatum; Impfmobile vor weiterführenden Schulen u.a.). In der gegenwärtigen Situation sollten auch weitere medizinische Berufsgruppen nach Bedarf in die Impftätigkeit einbezogen werden.

6. Nichts ist einfach in dieser Pandemie. Bei einem weiterhin dynamischen Infektionsgeschehen verbieten sich wohlfeile Äußerungen über Lockerungen oder zum Pandemieende. Die Entwicklung der letzten Wochen und Monate, die bereits Anfang 2021 als ein mögliches Szenario wissenschaftlich dargestellt wurde, muss auch zu einer Überprüfung der staatlichen Interventionen führen. Die Entwicklung der Infektionszahlen soll daher weiterhin ein wesentlicher Indikator für zu ergreifende Maßnahmen bleiben und durch andere geeignete Messzahlen ergänzt werden. Dies gilt auch für Bremen, das sich auch bei einer relativ hohen Impfquote nicht in trügerischer Sicherheit wiegen sollte.

7. Wir fordern die Einrichtung eines Pandemierates für das Land Bremen, in dem vor allem Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen und Repräsentant*innen des Gesundheitswesens vertreten sein sollten. Er soll die wissenschaftliche Beratungsgrundlage für langfristige und nachhaltige Handlungsstrategien und strategische Entscheidungen der Politik schaffen. Die breite disziplinäre Zusammensetzung soll auch garantieren, dass soziale, pädagogische und andere nicht-medizinische Aspekte in der Pandemie berücksichtigt werden.