Michael Labetzke: Das Leiden der Menschen in Gaza darf nicht in Vergessenheit geraten!

Aktuell bestimmt der Krieg zwischen Israel und dem Iran, in den nun auch die Vereinigten Staaten aktiv eingreifen, die Schlagzeilen – doch auch im Gazastreifen wird weiter geschossen.

Nach aktuellen Schätzungen sollen bisher über 50.000 Menschen gestorben- und mindestens 120.000 verletzt worden sein. Ein Großteil der Wohngebäude ist mittlerweile beschädigt oder zerstört. Den Menschen in Gaza fehlt es an allem. Auch Nahrungsmittel und Trinkwasser sowie lebensnotwendige Medikamente und Hygieneartikel sind kaum verfügbar. Für viele ist jeder Tag ist ein Überlebenskampf.

Ich bin der Ansicht, dass Israel selbstverständlich ein Existenzrecht- und auch jedes Recht hat, sich zu verteidigen. Deutschland hat eine große Verantwortung für jüdisches Leben. Ebenso klar zu verurteilen sind die Verbrechen der Hamas, übrigens nicht nur in Israel, sondern auch in Gaza selbst. Der bestialische Terrorangriff der Hamas am 07. Oktober 2023 ist ein in der jüngeren Weltgeschichte beispielloser Akt der Barbarei, der ein ganzes Land traumatisiert hat. Die Geiseln müssen unverzüglich frei gelassen werden!

Gleichzeitig meine ich auch, seit den Massakern der Terrororganisation Hamas und der ersten auch gerechtfertigten Reaktion Israels, hat sich die Situation im Gazastreifen verändert. Aus meiner Sicht betreibt Israel dort mittlerweile allenfalls noch am Rande Selbstverteidigung. Ein übergeordnetes Ziel ist nicht erkennbar – das hat mittlerweile auch die Bundesregierung ausgesprochen. Großbritannien, Australien, Kanada, Neuseeland und Norwegen haben erste Sanktionen gegenüber Israel erlassen.

Aus meiner Sicht rechtfertigt weder die Rettung der israelischen Geiseln noch der Schutz der israelischen Bevölkerung die großflächig betriebene und systematische Zerstörung eines ganzen Landstrichs, die massenhafte Vertreibung der Zivilbevölkerung und die de-facto-Geiselnahme von mehr als 2 Millionen Menschen im Gazastreifen! Ich finde das vollkommen unverhältnismäßig.

Mit Blick auf die Blockade einer ausreichenden Versorgung mit Hilfsgütern, die systematische Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen im Gazastreifen und der damit einhergehenden Verhinderung einer auch nur rudimentären Selbstversorgung, nehme ich den erhobenen Vorwurf des Völkermordes sehr ernst.

Aufgrund der Katastrophen des 20.  Jahrhunderts wurde der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit in das Grundgesetz mit aufgenommen. Wegen dieser historischen Verantwortung bekennt sich die Bundesrepublik Deutschland zu einer regelbasierten Weltordnung, den universellen Prinzipien des Völkerrechts und der Menschenrechte. Mit diesem Bekenntnis ist ein Schweigen zu potenziellen Völkerrechtsverstößen unvereinbar. Gerade wir als Menschen- und Bürgerrechtspartei sind besonders in der Pflicht, etwaige Völkerrechtsverstöße frühzeitig zu thematisieren und unsere Politik an dem Ziel auszurichten, die internationale Geltung des Völkerrechtes sowie der individuellen Grundrechte zu wahren. Die unmittelbare Not der Menschen in Gaza erlaubt es nicht, erst einzugreifen, wenn die Völkerrechtswidrigkeit des israelischen Vorgehens unanfechtbar gerichtlich festgestellt wurde. Wir Grüne haben schon viel zu lange gewartet!

Politischer Druck auf Israel, die Einstellung von Waffenlieferungen, die gegen die Zivilbevölkerung in Gaza eingesetzt werden können, sowie sehr deutliche Worte zum israelischen Vorgehen, sind inzwischen mehr als angebracht! Zudem sollte Deutschland den betroffenen Menschen unverzüglich vielfältige humanitäre Hilfe anbieten.

Zugleich muss die arabische Welt endlich auf die Terrororganisation Hamas einwirken, damit diese die Geiseln umgehend freilässt. Die Hamas nimmt auch die Menschen in Gaza, die sie zu vertreten behauptet, in Geiselhaft und ist dadurch mitverantwortlich für tausendfaches Leid. Alle an dem Konflikt beteiligten Parteien müssen Deeskalation und Diplomatie endlich eine Chance geben, damit die Region zur Ruhe kommen und die Wunden des seit vielen Jahrzehnten andauernden Konfliktes beginnen können zu heilen. Israels Sicherheitsinteressen kann am besten und langfristig ausschließlich dadurch gedient werden, dass die umliegenden Regionen stabil und möglichst demokratisch geführt werden. Dies zu ermöglichen ist die große Aufgabe im Nahen Osten, der wir uns alle endlich mit ganzer Kraft auf friedlichem Wege stellen sollten.

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