Meinung von Michael Labetzke: Die Legalisierung von Cannabis zum Eigenkonsum – eine Einordnung 27. März 202427. März 2024 Was für eine Debatte: Selten standen sich Befürworterinnen und Gegnerinnen so hart gegenüber. Auf der einen Seite wird durch die aktuelle Bundesregierung der Lebensrealität mit einer vernunftgeleiteten Drogenpolitik Rechnung getragen. Auf der anderen Seite wollen Konservative partout an der Prohibition von Cannabis festhalten, obwohl sich nahezu alle Expert*innen einig sind, dass diese gescheitert ist und wir als Gesellschaft zu einem anderen Umgang mit der verbreiteten Droge kommen müssen. Dabei kann niemand ernstlich ein Interesse daran haben, den Status quo in der Drogenpolitik beizubehalten. Die Freigabe von Cannabis zum 1. April ist ein Paradigmenwechsel in Deutschland, keine Frage. Natürlich gibt es Kritik und natürlich ist manche Kritik auch berechtigt. Ich selbst würde mir auch an der ein oder anderen Stelle mehr Klarheit wünschen. Insbesondere Sicherheitsbehörden und die Justiz sind verunsichert ob der Veränderungen, die da nun sehr schnell auf sie zukommen. Und ich kann diese Sorgen absolut nachvollziehen. Gleichwohl werden sich viele Horrorszenarien jetzt nicht einstellen. So werden an KiTa’s und Schulen ganz sicher nicht Polizei und Ordnungsbehörden mit Maßbändern stehen, um den Abstand von Kiffern oder Cannabispflanzen zur Eingangstür zu messen. Genauso, wie nicht neben jedem Glas und jeder Flasche Alkohol eine Polizistin steht. Und trotzdem werden Kinder und Jugendliche beschützt bleiben. Ich bin der festen Überzeugung, dass sich das in relativ kurzer Zeit regeln wird. Die Dinge werden sich – wie so oft – einspielen und die Schreckensszenarien werden sich ganz sicher nicht einstellen, egal wie sehr sie sich manche auch wünschen, um recht zu behalten. Und ja, wenn es Regelungsbedarf gibt, dann wird das auch geregelt werden. Es liegt doch in der Natur der Sache, dass so ein historischer und einschneidender Wechsel nicht alle Eventualitäten in einem Gesetz und dazugehörigen Verordnungen vorweg und bis ins letzte Detail abbilden kann. Das würde zu noch mehr Bürokratie, noch mehr Was-wäre-wenn-Befürchtungen führen, aber erfahrungsgemäß nicht zu praktischen Lösungen. All die harsche Kritik an der Cannabis-Legalisierung überlagert die vielen positiven Aspekte und drängt die gute Idee hinter dem Gesetz ins Abseits. So ist in der Diskussion eine Schieflage entstanden. Eine ehrliche Debatte über Cannabis kann gar nicht ohne die Frage des Umgangs mit der Droge Alkohol (von Tabak ganz abgesehen) geführt werden. Laut Bundesgesundheitsministerium konsumieren 7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland Alkohol in gesundheitlich riskanter Form. Ein problematischer Alkoholkonsum liegt bei etwa 9 Millionen Personen dieser Altersgruppe vor. In Deutschland starben alleine im Jahr 2016 19.000 Frauen und 43.000 Männer an einer ausschließlich auf Alkohol zurückzuführenden Todesursache. Ein Todesfall an einer ausschließlich auf Cannabis zurückzuführenden Todesursache ist nicht bekannt. Keiner. Weltweit nicht. In unserer Gesellschaft herrscht eine weitgehend unkritische Einstellung zum Konsum von Alkohol vor. So betrug beispielsweise der Inlandsabsatz von Bier – wohlgemerkt nur der Inlandsabsatz – allein der in Deutschland ansässigen Brauereien im vergangenen Jahr 6,9 Milliarden Liter. Durchschnittlich werden pro Kopf der Bevölkerung jährlich rund zehn Liter reinen Alkohols konsumiert. Gegenüber den Vorjahren ist zwar eine leicht rückläufige Tendenz im Alkoholkonsum zu registrieren. Dennoch liegt Deutschland im internationalen Vergleich unverändert im oberen Drittel. Die durch Alkoholkonsum verursachten volkswirtschaftlichen Kosten betragen rund 57 Milliarden Euro pro Jahr, so das Jahrbuch Sucht 2023. Aber um Gesundheitsfragen geht es den Kritikern des neuen Cannabis-Gesetzes auch gar nicht. Sie, egal ob Reul, Söder oder Kretschmer, wollen den Paradigmenwechsel um jeden Preis verhindern, weil er nicht in ihr konservatives Weltbild passt. Ideologie versus Liberalität: Sie wollen weiterhin kriminalisieren. Bloß kein Recht auf Rausch – außer beim Alkohol oder bei der Geschwindigkeit von Autos. Es geht um einen Kulturkampf in dieser Frage, um nichts anderes. Und die Konservativen, allen voran CDU und CSU, fühlen diesen Kampf nun verloren. Die Legalisierung ist ein Novum in der bundesrepublikanischen Geschichte. Ich bin von diesem Kurswechsel zu 100 Prozent überzeugt. Cannabis wird zum Eigenverbrauch entkriminalisiert, das wird Polizei und Justiz langfristig entlasten. Der Schwarzmarkt wird – so die Erfahrung insbesondere aus Kanada – Jahr für Jahr zurückgedrängt werden. Unsere Gesellschaft wird einen guten Umgang mit den neuen Freiheiten finden. Der Kinder- und Jugendschutz und insbesondere der Schutz der Verbraucherinnen wird vielfältig gestärkt durch eine bessere und kontrollierte Qualität und eine viel stärkere Präventionsarbeit. Deshalb ist es gut, dass dieses Gesetz jetzt kommt. Meine Empfehlung an CDU und CSU: Nehmen Sie die Lebensrealitäten an. Widerstand gegen Freiheiten ist zwecklos. — Die „Meinung am Freitag“ (MaF) ist ein Meinungsformat der GRÜNEN im Land Bremen. Sie hat den Zweck, fernab von Veranstaltungen eine Kommentierung politischer, gesellschaftlicher oder parteiinterner Ereignisse zu ermöglichen. Die Beiträge geben stets ausschließlich die persönliche Meinung der Autor*in wieder, nicht die der gesamten Partei. Möchtest du auch einen Meinungsbeitrag einreichen? Dann sende uns deinen Beitrag plus ein Foto von dir bis spätestens Mittwoch, 12 Uhr mittags an info@gruene-bremen.de.