Schiedsgericht Bündnis 90 / Die Grünen Landesverband Bremen
Az. 3/2024
Entscheidung des Schiedsgerichts: Az. 3/2024
Beschluss:
In der Landesschiedsgerichtssache
Antragssteller*in als Mitglied im Kreisverband Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen
Antragsteller
gegen
die Versammlungsleitung der Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024, vertreten durch die Kreisvorstandssprecher*innen
Antragsgegnerin
Beigeladen: Vorstand des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen, vertreten durch die Kreisvorstandssprecher*innen
hat das Landesschiedsgericht durch
die Vorsitzende Dr. Kirsten Wiese
und die gewählten Beisitzerinnen Astrid Schwerdtfeger und Dagmar Bleiker
ohne mündliche Verhandlung am 23.11.2024 beschlossen:
Der Kreisverband Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen hat in der Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024 die Änderung zu § 3 Abs, 3, § 6 Abs. 10 und § 7 Abs. 3 seiner Satzung, zuletzt geändert am 19. September 2019, wirksam beschlossen.
Tatbestand
Der Antragsteller ist Mitglied des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen, die Antragsgegnerin hatte die Versammlungsleitung der Kreismitgliederversammlung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen am 7. August 2024 inne. Die Parteien streiten darüber, ob die Kreismitgliederversammlung des Kreisverbandes Bremerhaven ordnungsgemäß Satzungsänderungen beschlossen hat.
Die Voraussetzungen der Abstimmung von Satzungsänderungen werden in § 7 Abs. 3 der Satzung festgelegt. Dieser lautet in der alten Fassung und damit für die Beschlüsse über die jüngsten Satzungsänderungen unstrittig maßgeblichen Fassung:
„Für eine Satzungsänderung ist, zur ersten Beratung und Beschlussfassung, die Anwesenheit von mindestens 1/3 der Mitglieder erforderlich. Ist die Versammlung dann nicht beschlussfähig, gilt für die nächste Versammlung das Quorum von 1/6. Bei der Einladung ist darauf hinzuweisen. Eine Satzungsänderung bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden, stimmberechtigten Mitglieder.“
Kreismitgliederversammlung am 15. Februar 2024
Die in Frage stehenden Satzungsänderungen wurden erstmalig in der Kreismitgliedersammlung am 15. Februar 2024 aufgerufen. Sodann wurden die Satzungsänderungsanträge jedoch auf Geschäftsordnungsantrag von einem namentlich aufgeführten anwesenden Mitglied mit einer Mehrheit von 8 Stimmen bei 4 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen vertagt. Eine Debatte über die Satzungsänderungsanträge fand nicht statt.
Unstrittig war die Kreismitgliederversammlung am 15. Februar 2024 mangels in ausreichender Zahl anwesender Mitglieder nicht über Satzungsänderungsanträge beschlussfähig: Der Kreisverband Bremerhaven umfasst 104 Mitglieder. Um eine Satzungsänderung in der ersten Kreismitgliederversammlung, in der sie aufgerufen wird (Erste Lesung) beschließen zu können, hätten nach der Kreisverbandssatzung in der alten Fassung mindestens 35 Mitglieder anwesend sein müssen. Anwesend waren zu dem Zeitpunkt, zu dem Satzungsänderung aufgerufen wurde, aber nur 15 Mitglieder, also 1/7 der Mitglieder des Kreisverbandes.
Kreismitgliederversammlung am 8. April 2024
In der Kreismitgliederversammlung am 8. April 2024 wurden die Satzungsänderungsanträge als Top 3 erneut aufgerufen. Anwesend waren zu Beginn der Versammlung 18 Mitglieder (1/6 der Gesamtmitgliederzahl), die nicht namentlich aufgeführt wurden. Als Top 3 aufgerufen wurde, waren 19 Mitglieder (> 1/6 der Gesamtmitgliederzahl) anwesend.
Die Satzungsänderungsanträge wurden debattiert. Für den Satzungsänderungsantrag zu § 6 Abs. 10 der Kreisverbandssatzung (S 1) stimmten 17 Mitglieder, 1 Mitglied stimmte dagegen, 1 Mitglied enthielt sich. Im Protokoll wurde vermerkt „S 1 ist angenommen“. Für den Satzungsänderungsantrag zu § 7 Abs. 3 (S 1) stimmten 14 Mitglieder, 2 stimmten dagegen, 3 enthielten sich. Im Protokoll wurde vermerkt „S 2 ist angenommen“. Für den Satzungsänderungsantrag zu § 3 Abs. 3 (S 4) stimmten 16 Mitglieder, 3 enthielten sich, niemand stimmte dagegen. Im Protokoll wurde vermerkt „S 4 ist angenommen. Der Antrag S 3 ist hinfällig.“
In der Einladung zu der Kreismitgliederversammlung am 8. April 2024 steht zu dem TOP Satzungsänderungen „Für den Beschluss der Satzungsänderungen in 2. Lesung ist die Anwesenheit von mindestens 1/6 der Mitglieder erforderlich. Sie muss mit einer Zwei-Drittel Mehrheit beschlossen werden. Die Satzungsänderungsanträge aus der ersten Lesung vom 15.02.2024 findet ihr hier: https://2211bremerhaven.antragsgruen.de/.“
Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024
In der Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024 wurden die Satzungsänderungsanträge erneut aufgerufen. Zu dem Zeitpunkt, als die Satzungsänderungsanträge behandelt wurden, waren ausweislich des Protokolls 18 Mitglieder anwesend. In dem Protokoll wurden die anwesenden Mitglieder nicht namentlich aufgeführt. Die Satzungsänderungsanträge zu § 6 Abs. 10 und § 7 Abs. 3 (S 1 und S 2) wurden laut Protokoll gemeinsam beschlossen und erhielten 17 der abgegebenen Stimmen. 1 Mitglied stimmte dagegen.
Der Änderungsantrag zu § 3 Abs. 3 (S 4 „Antrag David L“) erhielt 13 JA-Stimmen, 1 Enthaltung und vier Nein-Stimmen.
Zu TOP 3, den Satzungsänderungsanträgen, ist erläuternd im Protokoll vermerkt: „ C.N. spricht über die 1. Lesung am 15.02.24 in dem die Anträge nicht ausreichend behandelt wurden. Die 1. Lesung fand somit in der KMV am 08.04.24 statt und die 2. Lesung heute am 07.08.24.“
In der Einladung zu der Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024 wurde folgendermaßen auf den TOP Satzungsanträge hingewiesen: „Aufgrund einer Formsache behandeln wir die Lesung der Satzungsänderung in der letzten KMV am 08.04.2024 als 1. Lesung und werden daher in der nun kommenden KMV die 2. Lesung durchführen. Hierzu ist die Anwesenheit von mindestens 1/6 der Mitglieder erforderlich. Satzungsänderungen müssen mit einer Zwei-Drittel Mehrheit beschlossen werden. Die Satzungsänderungsanträge aus der ersten Lesung findet ihr hier: https://2211bremerhaven.antragsgruen.de/.
In den Protokollen zu den Kreismitgliederversammlungen am 15. Februar, 8. August und 7. April 2024 wurde jeweils nicht vermerkt, wer das Protokoll geschrieben und wer die Versammlungsleitung innehatte. Zudem wurden die anwesenden Mitglieder nicht namentlich aufgeführt.
Der Antragsteller beantragt mit E-Mail vom 21. November 2024
- gemäß § 13 der Landesschiedsordnung, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, die die Anwendung der neuen Satzung bis zur endgültigen Klärung untersagt.
- Festzustellen, dass die Beschlüsse zur Satzungsänderung (Anträge S1, S2 und der Antrag von David L.) aus TOP 3 der Kreismitgliederversammlung vom 07.08.2024 unwirksam sind.
- Festzustellen, dass die alte Satzung des Kreisverbands Bremerhaven weiterhin gültig ist.
Er trägt vor, dass auf den Kreismitgliederversammlungen, auf denen die Satzungsänderungen aufgerufen wurden, jeweils nicht die für Satzungsänderungen erforderliche Mitgliederzahl von 1/3 der Gesamtmitgliederzahl anwesend waren. Die Kreisvorstand habe zudem in den Einladungen zu den Kreismitgliederversammlungen und auf diesen selbst über die Voraussetzungen der Abstimmung über Satzungsänderungen falsch informiert, indem er fälschlich von erster und zweiter Lesung gesprochen habe. Die Satzungsänderungen seien deshalb zu keinem Zeitpunkt wirksam beschlossen worden.
Der Antragsteller reklamiert zudem, dass in keiner der drei 2024 stattgefundenen Kreismitgliederversammlungen eine namentliche Anwesenheitsliste geführt wurde. Er bezweifelt deshalb, dass auf den drei Sitzungen die für Beschlüsse erforderliche Anzahl von Mitgliedern anwesend war.
Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Anträge sind zulässig.
Das Landesschiedsgericht ist sachlich und örtlich zuständig, weil es sich um eine Streitigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 a Landesschiedsordnung von Bündnis 90 / Die Grünen Bremen (Streitigkeit zwischen einem Mitglied und einem Kreisvorstand) handelt. Ein Kreisschiedsgericht ist in Bremerhaven nicht vorhanden.
Der Antragsteller ist als Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen antragsberechtigt nach § 4 Abs. 1 c) Landesschiedsordnung.
Die KreisvorstandssprecherInnen sind als Versammlungsleitung zulässige Antragsgegnerin gemäß § 5 Abs. 2 S. 3 Landesschiedsordnung. Da die KreisvorstandssprecherInnen gemäß § 6 Abs. 6 Kreisverbandssatzung Bündnis 90 / die Grünen Bremerhaven die Versammlungsleitung stellen, war der Kreisvorstand von Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven entgegen § 5 Abs. 2 S. 3 Landesschiedsordnung nicht gesondert beizuladen.
Der Antragsteller beantragt, die Unwirksamkeit der Beschlüsse zur Satzungsänderung (Anträge S1, S2 und der Antrag von David L.) aus TOP 3 der Kreismitgliederversammlung vom 7. August 2024 im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen. Damit ficht er zugleich das Ergebnis der der Abstimmung der Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven über die Änderung der Satzung an. Das ist ein statthafter Antrag gemäß § 4 Abs. 2 Landesschiedsordnung.
Die Beantragung einer einstweiligen Anordnung ist statthaft nach § 13 Landesschiedsordnung.
Fraglich ist, ob der der Antrag fristgemäß eingegangen ist. Nach § 4 Abs. 3 Landesschiedsordnung können Entscheidungen von Organen nur innerhalb von drei Monaten nach Beschlussfassung angefochten werden. Vorliegend ficht der Antragsteller den Beschluss über Satzungsänderungen durch die Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024 an.
Fristablauf war am 8. November, der Antrag ging aber erst am 21. November 2024 per E-Mail beim Schiedsgericht ein. Demnach wäre der Antrag verfristet.
Der Antragsteller trägt aber vor, er habe erst mit der Einladung vom 18. November 2024 zur Kreismitgliederversammlung am 28. November 2024 von den Beschlüssen der Kreismitgliederversammlung am 7. August 2024 erfahren. Er sei nicht auf der Kreismitgliederversammlung gewesen.
Da diese Tatsachenbehauptungen von der Antragsgegnerin nicht bestritt werden, geht das Schiedsgericht zugunsten des Antragstellers davon aus, dass der Antrag fristgemäß eingegangen ist.
Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ist gegeben. § 4 Abs. 1 c) der Landesschiedsordnung sieht vor, dass ein Parteimitglied nur dann einen Antrag stellen kann, wenn es in der Sache selbst unmittelbar betroffen ist. Das politische Miteinander im Kreisverband einer Partei wird maßgeblich durch dessen Satzung bestimmt, so dass jedes Mitglied des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven durch Satzungsänderungen persönlich betroffen ist.
Begründung
Die Anträge sind nicht begründet.
- Erforderliches Quorum für Beschlüsse über Satzungsänderungen
§ 7 Abs. 3 Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven in der Fassung vom 19. September 2019 lautet: „Für eine Satzungsänderung ist, zur ersten Beratung und Beschlussfassung, die Anwesenheit von mindestens 1/3 der Mitglieder erforderlich. Ist die Versammlung dann nicht beschlussfähig, gilt für die nächste Versammlung das Quorum von 1/6. Bei der Einladung ist darauf hinzuweisen. Eine Satzungsänderung bedarf einer Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden, stimmberechtigten Mitglieder.
Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass eine Satzungsänderung auf folgende Weisen beschlossen werden kann:
- Auf einer Kreismitgliederversammlung sind mindestens 1/3 der Mitglieder des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen anwesend sind und mindestens 2/3 der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder stimmen der Satzungsänderung zu. In diesem Fall ist nur eine Beratung der Satzungsänderung erforderlich, die mit einer Abstimmung beendet wird.
- Auf einer Kreismitgliederversammlung wird die Satzungsänderung aufgerufen und beraten, ohne dass mindestens 1/3 der Mitglieder anwesend sind. In der darauffolgenden Versammlung sind mindestens 1/6 der Mitglieder anwesend. Die Satzungsänderung wird auf dieser zweiten Versammlung erneut beraten und sodann mit einer Mehrheit von mindestens 2/3 der anwesenden, stimmberechtigten Mitglieder beschlossen. In diesem Fall sind zwei Beratungen notwendig. Bei der ersten Beratung ist nicht erforderlich, dass mindestens 1/3 der Mitglieder anwesend sind. Erforderlich ist jedoch, dass bei der ersten Beratung mindestens 1/6 der Mitglieder anwesend sind. Zusammenfassend können Satzungsänderungen nur dann von einer kleineren Anzahl als 1/3 der Mitglieder wirksam beschlossen werden, wenn diese Satzungsänderungen mindestens zweimal von 1/6 der Mitglieder beraten und von mindestens 1/6 der Mitglieder beschlossen worden sind.
Für dieses Verständnis des § 7 Abs. 3 Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen alter Fassung sprechen die nachfolgenden Gründe: Dem Wortlaut nach klingt § 7 Abs. 3 zwar so, als ob auch für die erste Beratung mindestens 1/3 der Mitglieder anwesend sein müssen. Das widerspricht aber dem Zweck dieser Regelung. Sie soll ermöglichen, dass Satzungsänderungen beschlossen werden können, ohne jeweils an dem Erfordernis einer hohen Mindestanwesendenzahl zu scheitern. Wenn bereits bei der ersten Beratung mindestens 1/3 der Mitglieder anwesend wären, könnte die Satzung auch beschlossen werden, so dass keine zweite Beratung erforderlich ist. Diese ist nur erforderlich, wenn bei der ersten Sitzung nicht mindestens 1/3 der Mitglieder anwesend sind.
Um einen hinreichenden Schutz demokratischer Abstimmungsverfahren zu gewähren, ist aber zu verlangen, dass bei der ersten Beratung mindestens so viele Mitglieder anwesend sind, wie laut Satzung bei der zweiten Beratung und Beschlussfassung über die Satzungsänderung mindestens anwesend sein müssen. In der Satzung des Kreisverbandes sind Grundlagen von dessen politischen Entscheidungsprozessen niedergelegt. Die Anforderungen an Abstimmungen über Änderungen dieser Grundordnung müssen demnach ausreichend hoch sein. Wenn zweimal über Satzungsänderungen unter Einhaltung des von der Satzung vorgesehenen Mindestquorums beraten worden ist, gelten diese Anforderungen als erfüllt. Dies gilt insbesondere unter der Annahme, dass oft bei Kreismitgliederversammlungen nicht nur dieselben Personen anwesend sind und demnach Satzungsänderungen in der Regel von mehr Mitgliedern des Kreisverbandes als das Mindestquorum für die zweite Beratung und Beschlussfassung verlangt, beraten werden.
Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen entsprechend der Lesart des Schiedsgerichts wurden bei den beiden Kreismitgliederversammlungen am 8. April 2024 und am 7. August 2024 erfüllt. Zum Zeitpunkt der Beratung und Beschlussfassung über die Satzungsänderungsanträge waren jeweils 18 Mitglieder und damit 1/6 der Mitglieder des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven anwesend. Am 8. April 2024 wurden die Satzungsänderungsanträge beraten, am 7. August wurden sie mit einer Mehrheit von 17/18 und damit einer das Mindest-Mehrheitserfordernis von 2/3 übersteigenden Mehrheit beschlossen.
Auf die möglicherweise falsche Benennung des TOP „Satzungsänderungen“ in den jeweiligen Einladungen zu den Kreismitgliederversammlungen kommt es für die Wirksamkeit der Satzungsänderungsbeschlüsse nicht an.
Das Schiedsgericht empfiehlt dem Beigeladenen zu veranlassen, dass § 7 Ab3. der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen neuer Fassung entsprechend geändert wird.
- Namentliche Anwesenheitslisten auf Kreismitgliederversammlungen.
Der Antragsteller reklamiert in der Begründung seiner Anträge, dass auf den Kreismitgliederversammlungen keine namentliche Anwesenheitsliste geführt wurde. Einen Antrag zu diesem Punkt stellt er nicht.
Das Schiedsgericht begreift die fehlenden Namenslisten als einen Aspekt zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin und spricht deshalb diesbezüglich eine Empfehlung aus.
Das Schiedsgericht empfiehlt dem Beigeladenen, dass auf den Kreismitgliederversammlungen namentliche Anwesenheitslisten geführt werden. Sofern sie geführt werden, können sie entweder dem jeweiligen Protokoll als Anlage beigefügt werden und für jedes Mitglied ohne gesonderte Nachfrage in Antragsgrün sichtbar sein; oder sie werden vom Kreisvorstand gesondert im Grünen Netz abgelegt und werden einem Mitglied nur auf Nachfrage offenbart.
Ebenso empfiehlt das Schiedsgericht dem Beigeladenen in den Protokollen über die Kreismitgliederversammlungen den*die Protokollführer*in und die Versammlungsleitung zu vermerken.
Die Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen neuer Fassung könnte in § 6 Abs. 6 entsprechend geändert werden.
Für diese Empfehlung sprechen die nachfolgenden Gründe:
Um Entscheidungsprozesse nachvollziehen zu können, sollte für jedes Mitglied nachvollziehbar sein, wer an einer Versammlung teilnimmt bzw. teilgenommen hat. Das ist für Mitglieder, die nicht an einer Kreismitgliederversammlung anwesend sein können, nur möglich, wenn sie die Information einem Protokoll entnehmen können.
Das Führen von namentlichen Anwesenheitslisten bei Kreismitgliederversammlungen entspricht der Praxis auf Landesmitgliederversammlungen: Bei Landesmitgliederversammlungen und Wahlversammlungen werden Anwesenheitslisten geführt. Diese Anwesenheitsleisten beinhalten nur die Informationen, die Personen waren an dem Tag anwesend, es wird nicht festgehalten, wann sie zur Versammlung gekommen und ob/wann sie die Versammlung vorzeitig verlassen haben. Die Anwesenheitslisten werden schriftlich geführt (Ausdruck der Liste aller Mitglieder des Landesverbandes, mit anschließendem „abhaken“ der anwesenden Mitglieder) und werden zusammen mit den vom Protokollanten unterschrieben Protokollen aufbewahrt.
Artikel 9 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) steht dem Führen namentlicher Anwesenheitslisten nicht entgegen. Die Verarbeitung eines Namens zusammen mit der Information, dass die Person an einer Kreismitgliederversammlung von Bündnis 90 / Die Grünen teilgenommen hat, unterfällt der Kategorie besonderer personenbezogener Daten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Die Verarbeitung ist aber nach Art. 9 Abs. 2 e) DSGVO gerechtfertigt, weil die Person diese Daten durch die Teilnahme an einer öffentlichen Kreismitgliederversammlung öffentlich gemacht hat. Zudem muss die Unterschrift einer auf einer Kreismitgliederversammlung anwesenden Personen auf der Anwesenheitsliste als Einwilligung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 a) DSGVO betrachtet werden.
Allerdings fordern weder das Orgahandbuch des Bundesverbandes (letzte Überarbeitung 2017/18) Link: https://wolke.netzbegruenung.de/s/onTKe4cmZFNC76s , noch der Leitfaden für Kreisvorstände aus Bremen (Letzte Überarbeitung 2022) Link: https://wolke.netzbegruenung.de/s/EfWHBZ932K74iWJ zum Führen von Anwesenheitslisten bei Kreismitgliederversammlungen auf.
Für Parteien gilt das Vereinsrecht, soweit das Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) keine spezielleren Regeln trifft. Nach § 58 Nr. 4 BGB müssen Beschlüsse von Mitgliederversammlungen von Vereinen dokumentiert werden. In den Kommentierungen des Vereinsrechts wird das Führen von Anwesenheitslisten zwar nicht als zwingend notwendig erachtet, aber empfohlen (siehe unter anderem BeckFormB BHW/Weidmann, 14. Aufl. 2022, Form. I. 10. Anm. 1-8 Rn. 1, 2, beck-online; Sauter/Schweyer/Waldner Eingetragener Verein/Neudert/Waldner, 21. Aufl. 2021, Rn. 128, beck-online).
Die Mitgliederversammlung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen kann sich demnach auch gegen das Führen namentlicher Anwesenheitslisten entscheiden.
Das Original des Urteils, inklusiver der Nennung der Beteiligten und der Unterschriften der Schiedsrichter*innen kann in der LGS bei der Geschäftsführung des Landeschiedsgerichts eingesehen werden.
Eine pdf Version des Urteils ohne der Namensnennung findet ihr zur besseren Lesbarkeit hier.