Moritz Holtappels zur Lage der Grünen

Es gibt sicher verschiedene Gründe für das schlechte Abschneiden bei den Wahlen und in den Umfragen. Einen möchte ich hier hervorheben. Meine Meinung: wir verhalten uns zu oft wie eine Bürgerbewegung und nicht wie eine Regierungspartei.

Obwohl wir jetzt Gestaltungsmacht haben, markieren wir den politischen Raum lieber mit Ansprüchen und großen Zielen, und nicht mit unseren Leistungen. Als gäbe es weiterhin nur das kritische Argument, um die Zustände zu ändern. Als könnten wir uns nur hinter hohen Ansprüchen versammeln, bei denen das Erreichte stets als beklagenswerter Hintergrund dienen muss. 

Besonders deutlich wird dies in der Klimapolitik. Innerhalb kürzester Zeit sind nicht nur eine Vielzahl wichtiger Gesetze verabschiedet worden, sondern die Auswirkungen sind auch deutlich messbar und unerwartet positiv: 10 Prozent weniger CO2 Emissionen innerhalb eines Jahres! Das ist ein riesiger Schritt, und tatsächlich eine reale Verbesserung unserer materiellen Lebensgrundlage. Aber wir sprechen selbst kaum darüber, es findet keine große Resonanz in der Partei, es steht auf keiner Homepage, auf keinem Plakat. Warum sollte es dann die Öffentlichkeit interessieren? 

Ich frage mich, wie soll eine Transformation positiv besetzt werden, wenn wir jede positive Veränderung ausschließlich zum Anlass nehmen, um weitergehende Forderungen zu formulieren. Wenn eine Bürgerbewegung sich in Forderungen und Kritik begründet und diese dann auf die Straße trägt, ist das folgerichtig. Wenn eine Regierungspartei sich lieber hinter Forderungen und Kritik versammeln möchte, schafft das ein Unbehagen, denn sie ist ja gleichzeitig der Adressat. Die Rolle einer ‚Gestaltungsmacht‘ erscheint dann nicht ausgefüllt.

Permanente Kritik aus einer Machtposition transportiert dabei eine Ethik der permanenten Selbstoptimierung in die Gesellschaft. Mit dieser Haltung laden wir den politischen Raum moralisch so stark auf, dass wir nur noch affektive Reaktionen hervorrufen. Zugleich signalisiert ein Desinteresse an dem Erreichten und dem Machbaren auch ein Desinteresse an der Sache selbst. Als wäre Klimapolitik nur dazu da, die eigene kritische Haltung zu markieren.

Selbstwirksamkeit, innerparteilich und in der Gesellschaft, kann sich nur entfalten, wenn wir das Erreichte vor dem Hintergrund des Machbaren würdigen und feiern, und daraus den Mut und die Motivation schöpfen, den nächsten Schritt zu gehen. Diese Haltung müssen wir in der Partei stärker kultivieren, um als Regierungspartei anerkannt und wiedergewählt zu werden. 

Die „Meinung am Freitag“ (MaF) ist ein Meinungsformat der GRÜNEN im Land Bremen. Sie hat den Zweck, fernab von Veranstaltungen eine Kommentierung politischer, gesellschaftlicher oder parteiinterner Ereignisse zu ermöglichen. Die Beiträge geben stets ausschließlich die persönliche Meinung der Autor*in wieder, nicht die der gesamten Partei.

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