Humanität und Rechtsstaatlichkeit in der Bremer Migrationspolitik 10. April 2024 Beschlossen auf der Landesmitgliederversammlung am 9. April 2024 Weiterhin für Humanität und Rechtsstaatlichkeit in der Bremer Migrationspolitik Die fortschreitende Klimakrise, Kriege und bewaffnete Konflikte zwingen Millionen Menschen auf der Welt zur Flucht und rauben ihnen ihre Lebensgrundlage. Mit großer Sorge sehen wir die immer emotionalere Debattenkultur in Bezug auf Migration und Integration in der Bundesrepublik. Als grüne Partei stehen wir zum Recht auf Asyl in einer Welt multipler Krisen und Gewalt. Wir setzen uns daher für eine Versachlichung der Debatte in diesen Bereichen ein und kritisieren die rechte Panik-Rhetorik gegen Geflüchtete, welche verschiedene Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielt, rassistische Ressentiments stärkt und den sozial-politischen Zusammenhalt gefährdet. Während wir uns der finanziellen und sozialen Herausforderungen durch Fluchtbewegungen bewusst sind, ist es fatal, die Chancen, welche sich durch den Zuzug bieten, dabei nicht ebenfalls zu benennen. Durch grüne Regierungsarbeit auf Bundesebene wurden in den letzten Monaten die richtigen Weichen gestellt: Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) und dem Chancenaufenthaltsrecht hat die Bundesregierung die Grundlage geschaffen, schneller in Deutschland Fuß fassen zu können und den Einstieg von Asylsuchenden in den Arbeitsmarkt erleichtert. Zudem wurden die Arbeitsverbote für Geflüchtete gelockert. Diese Entwicklungen unterstützen wir ausdrücklich und setzen uns weiter für ein umfassendes Recht auf gute Arbeit für Zugewanderte und Geflüchtete ein. Eine einseitige Politik der Abschiebung „in großem Stil“ und der Abschottung löst daher hingegen keine Probleme und wird der Komplexität des Themas nicht gerecht. In diesem Zusammenhang halten wir als Grüner Landesverband Bremen auch das Rückführungsverbesserungsgesetz, das die Grundrechte Geflüchteter weiter einschränkt, für den politisch falschen Weg. Die Reform des Einbürgerungsrecht begrüßen wir grundsätzlich, da sie Einbürgerung vereinfacht und doppelte Staatsbürgerschaften ermöglicht. Gleichzeitig benachteiligt die Reform Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die aus verschiedenen Gründen auf Sozialleistungen angewiesen sind, und macht Einbürgerung für sie schwieriger – das kritisieren wir ausdrücklich. Wir Grüne stehen für Rechtsstaatlichkeit und achten internationales Recht. Wir stehen zum verbrieften Menschenrecht auf Asyl, der Genfer Flüchtlingskonvention oder der EU-Grundrechtecharta als zentrale Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Miteinanders in Deutschland und Europa. Uns Grünen ist klar, dass die vielen Menschen, die nach Deutschland und nach Bremen kommen, eine reale Herausforderung für Schulen, Kitas, Jugendhilfe- und Sozialsysteme und die menschenwürdige Erstaufnahme und Unterbringung Geflüchteter darstellen. Unsere Antwort darauf ist aber nicht, geltendes Recht zu ignorieren oder Grundrechte einzuschränken, sondern für einen handlungsfähigen Staat und eine solidarische Zivilgesellschaft einzustehen. Solidarität und Zusammenhalt in unserem Bundesland gibt es nur, wenn wir alle Menschen, die in Bremen und Bremerhaven leben, mitdenken und für alle, die neu ankommen, gute Möglichkeiten schaffen. Denn auch wenn Flucht- und Migrationsbewegungen Herausforderungen für Politik und Verwaltung sind, müssen wir uns unserer Verantwortung stellen und die Chancen, die sich durch diese bieten, nutzen. Dazu müssen Politik, Verwaltung sowie haupt- und ehrenamtliche Geflüchtetenhilfe Hand in Hand arbeiten. Wir wollen als Parteistrukturen (Landesvorstand, Kreisverbände, Beiräte etc.) dafür in der nächsten Zeit noch stärker mit den relevanten Akteuren in den Dialog gehen, bestehende Netzwerke weiter stärken und neue Kontakte knüpfen. Fachkräftemangel bekämpfen, Integration sichern – Migration als Chance begreifen Zugewanderte Fachkräfte gehören zum Rückgrat der bremischen Wirtschaft. Sie haben maßgeblich dazu beigetragen, dass das Land Bremen heute ein innovativer Standort mit großer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist. In den nächsten Jahren brauchen wir jährliche eine Netto-Zuwanderung von 400.000 Menschen in den deutschen Arbeitsmarkt, um unseren wirtschaftlichen Wohlstand und das Sozialversicherungssystem stabil zu halten. Um Zuwanderer*innen das Ankommen in Bremen und Bremerhaven grundsätzlich und insbesondere im Arbeitsmarkt zu erleichtern, sind noch einige Anstrengungen zu unternehmen. Viel zu häufig arbeiten Zugewanderte und Geflüchtete in prekären Arbeitsverhältnissen. Ihre unsichere Situation, die fehlenden Sprachkenntnisse und mangelndes Wissen über ihre Rechte als Arbeitnehmer*innen werden ausgenutzt. Grundlage für die Integration in den Arbeitsmarkt und damit einem selbständigen und unabhängigen Leben ist daher der Zugang zu kostenlosen Sprachkursen, dieser ist aktuell bundesweit und auch im Land Bremen noch beschränkt. In Bremen und Bremerhaven wird es nun darum gehen, alle behördlichen Vorgänge vom Ankommen über die Qualifizierung und/oder Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen bis zur erfolgreichen Arbeitsmarktintegration transparenter und barrierefreier zu gestalten. Als Grüne unterstützen wir daher die Einrichtung sogenannter Welcome Center, die als zentrale, digitale und örtliche Anlaufstelle bei allen Anliegen rund um die berufliche Integration für alle Zugewanderten dienen. Ziel ist es, einen leicht zugänglichen und bedarfsgerechten „One-Stop-Shop Service“ aus einer Hand zu schaffen, der die berufliche Integration beschleunigt und erleichtert. Auch die Bemühungen seitens der Wirtschaftsförderung Bremen, den Fachkräfteservice auszubauen und Unternehmen beim Recruiting internationaler Bewerber*innen zu unterstützen, begrüßen wir sehr. Wir setzen uns daher weiterhin für ein kostenloses Angebot an allgemeinen und berufsbezogenen Deutschkursen in Bremen und Bremerhaven ein, auch über das Niveau B1 hinaus. Dem vielfältigen Engagement von Bremer Unternehmen, Betrieben und den Kammern ist es zu verdanken, dass Zuwander*innen gute Perspektiven auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt finden. Wir unterstützen daher auch weiterhin Maßnahmen, die für ein gutes Ankommen im Betrieb notwendig sind, wie bspw. ausbildungs- oder berufsbegleitende Sprachförderung und betriebliche Integrationsangebote. Menschenwürdige Unterbringen sicherstellen – Wohnraum für alle gewährleisten Eine sichere Erstunterbringung und ein schneller Übergang in die eigene Wohnung sind für eine Integration zentral. Wir sind uns des stark angespannten Wohnungsmarktes bewusst und sehen eine Notwendigkeit, uns weiterhin für eine sozialverträgliche und faire Verteilung von Wohnraum einzusetzen, etwa durch den schnelleren Ausbau von Sozialwohnungen und eine längere Sozialbindung. Dadurch soll ein zusätzlicher Preisanstieg durch weitere Bedarfe auf dem Wohnungsmarkt – in Folge von Migrationsbewegungen – möglichst aufgefangen werden. Im Bereich Stadtentwicklung hat Bremen schon viel für ein gutes Zusammenleben in Vielfalt auf den Weg gebracht. Integrierte Entwicklungskonzepte in verschiedenen Stadtteilen – wie Blumenthal oder Kattenturm – sind ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung, gerade in migrantisch geprägten Stadtteilen. Wir wollen mehr Sozialwohnungen in möglichst vielen Stadtteilen schaffen, um eine bessere und dezentrale Unterbringung geflüchteter Menschen zu ermöglichen. Eigener Wohnraum ist besser als Gemeinschaftsunterkünfte. Wir setzen uns zudem für die Verlängerung der Belegbindung von Sozialwohnungen ein. Wir wollen die Wohnsitzpflicht für Geflüchtete in den ersten 6 Monaten aufheben, sodass diese ihr Leben möglichst schnell selbst gestalten können. Staatliche Strukturen reformieren – Lösungen ermöglichen Das Thema Migration ist zukunftsentscheidend und bedarf eines umfassenden und handlungsfähigen Staats, der die Einhaltung von Menschenrechtsstandards und einer erfolgreichen Integration gewährleisten kann, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch Kürzungen an anderen Stellen zu belasten. Menschen aus Kriegsgebieten haben ein Recht auf Schutz. Wir sprechen uns daher für einen bundesweiten Abschiebestopp für Jesid*innen aus und fordern die Weiterführung des Abschiebestopps in den Iran. Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems macht viele bisher illegale oder irreguläre Praktiken im Umgang mit Geflüchteten in der EU zur Normalität und schränkt das Asylrecht ein. Bremen hat sich daher bei der Abstimmung im Bundesrat dazu enthalten – das war richtig. Wir lehnen als Grüner Landesverband Bremen weitere Verschärfungen des Asylrechts auf Bundes- und Europa-Ebene, wie beispielsweise das Rückführungsverbesserungsgesetz oder die aktuelle Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ab und orientieren unsere Migrationspolitik weiterhin an Grundsätzen wie der Genfer Flüchtlingskonvention und den allgemeinen Menschenrechten. Wir als Grüner Landesverband unterstützen jede Form der zivilen Seenotrettung und setzen uns nicht nur für das Verbot sog. „Pushbacks“, sondern auch für staatliche Seenotrettung im Mittelmeer ein. Die zuständigen Behörden, wie z.B. das Migrationsamt, müssen personell in der Lage sein, ihre Aufgaben zu erfüllen und die Digitalisierung der Verwaltungsabläufe weiter verbessert werden. Unsere beiden Kommunen Bremen und Bremerhaven sowie das Land müssen finanziell stärker unterstützt werden, um die Versorgung und Integration von Geflüchteten weiterhin sicherstellen zu können. Der Bund sollte den Ländern hierfür mehr Geld und Ressourcen zur Verfügung stellen. Die von den Bundesländern beschlossene Bezahlkarte darf in Bremen keine Diskriminierung oder Stigmatisierung schaffen. Bremen soll sich am Hannoveraner Modell orientieren. Besonders wichtig ist dabei, den Zugang zu Bargeld nicht einzuschränken, die Nutzung der Karte nicht geographisch zu begrenzen, sowie eine optische Gestaltung wie herkömmliche Karten.