Entscheidung des Schiedsgerichts: Az. 2/2023

Schiedsgericht Bündnis 90 / Die Grünen Landesverband Bremen

Az. 2/2023

Entscheidung

In der Landesschiedsgerichtssache

Antragssteller*in als Mitglied im Kreisverband Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen  

Antragsteller

gegen

den Vorstand des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen, vertreten durch die SprecherInnen (bis zum 15.2.2024)

Antragsgegner

Beigeladen: Landesvorstand von Bündnis 90 / Die Grünen Landesverband Bremen, vertreten durch den Vorstandssprecher

hat das Landesschiedsgericht

durch die Vorsitzende

die gewählten Beisitzerinnen und

die benannten BeisitzerInnen

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2024 beschlossen:

  1. Der Kreisvorstand Bremerhaven darf gemäß der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven in der Fassung von 2019 Beschlüsse im Umlaufverfahren nur schriftlich und einstimmig fassen.
  2. Sitzungen des Kreisvorstandes Bremerhaven dürfen zwar hybrid, jedoch nicht ausschließlich virtuell durchgeführt werden, solange kein anderslautender Beschluss des Kreisvorstandes getroffen wird.
  3. Der Kreisvorstand Bremerhaven muss die Beteiligung der Öffentlichkeit an seinen Sitzungen ermöglichen. Dafür müssen sowohl Sitzungstermin und -Ort, die Tagesordnung und im Fall von hybriden Sitzungen der Teilnahmelink rechtzeitig vor der Sitzung in geeigneten Medien für die Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.
  4. Der Kreisvorstand Bremerhaven muss in den öffentlichen Sitzungen die Gründe für seine Beschlüsse offenlegen.
  5. Die Beschlüsse des Kreisvorstandes Bremerhaven sind zu protokollieren. Aus den Protokollen muss das Datum der Beschlussfassung, der Beschlussgegenstand, die Anzahl und Namen der Mitstimmenden und das Abstimmungsergebnis erkennbar sein. Die Protokolle sind in der Grünen Wolke zu veröffentlichen.  
  6. Das Verfahren ist kostenfrei. Außergerichtliche Kosten und Auslagen der Verfahrensbeteiligten sind nicht erstattungsfähig.

Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Mitglied des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen, der Antragsgegner ist dessen Vorstand. Er wurde am 22. November 2021 mit neun Mitgliedern gewählt. Im Mai 2022 traten zwei Mitglieder des Kreisvorstandes zurück. Eine Neuwahl des Kreisvorstandes fand am 15. Februar 2024 statt. Die Parteien streiten darüber, ob der Antragsgegner bei der Durchführung von Sitzungen und der Fassung von Beschlüssen die Parteirechte des Antragstellers ausreichend berücksichtigt hat.

Der Antragsgegner fasste vom 22. Dezember 2021 bis zum 31. August 2023 ca. 90 Beschlüsse im Umlaufverfahren. Diese Umlaufverfahren wurden jeweils in der WhatsApp-Gruppe des Kreisvorstandes durchgeführt. Unter anderem wurden im Umlaufverfahren folgende Beschlüsse gefasst: Am 26. Juni 2023 wurde beschlossen, dass eine Person für die Wahl als ehrenamtlicher Stadtrat im Magistrat Bremerhavens vorgeschlagen werden solle.  Am 8. August 2023 wurde beschlossen, dass die Sozialdeputation mit einer durch den Kreisvorstand vorgeschlagen Person besetzt werden soll. Am 21. August 2023 wurde beschlossen, die WhatsApp-Gruppe „Grüne Bremerhaven“ zu schließen.

Die Beschlüsse des Kreisvorstandes wurden überwiegend, wenngleich zunächst nicht vollständig, protokolliert und am 5. September 2023 in der grünen Wolke, https://wolke.netzbegruenung.de/ , abgelegt. Vorab hatte der Antragsteller beim Antragsgegner Einsicht in die Beschlussprotokolle gefordert. Mit E-Mail vom 5. September 2023 wies der Kreisvorstandssprecher den Antragsteller darauf hin, dass „die Protokolle der Jahre 2022 und 2023 sowie die Umlaufbeschlüsse seit der letzten Neuwahl des Kreisvorstandes“ in der grünen Wolke im Ordner „Sonstiges/KV Protokolle“ zu finden seien.  Es fehlten allerdings die Protokolle „2022-01-06; 2022-02-03; 2022-03-10, 2022-04-07; 2022-05-27; 2022-09-22; 2022-10-20“, weil der interne Teil wegen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes jeweils noch zu schwärzen sei. Die zuvor benannten Protokolle wurden sodann auch in der grünen Wolke im Ordner „Sonstiges/KV Protokolle“ hinterlegt. Die Protokolle vom 7. Februar 2022 bis zum 22. Mai 2023 ließen jeweils nur das Thema des Beschlussgegenstandes sowie das Ergebnis erkennen.

Der Kreisvorstand hielt seine Sitzungen ab dem 1. September 2022 in Präsenz oder hybrid ab.  Bei hybriden Sitzungen saß jeweils eine Person in der öffentlich zugänglichen Geschäftsstelle. Eine Sitzung fand ausschließlich digital statt. Die Sitzungstermine wurden im Vorstand mündlich, per Mail oder Messenger abgestimmt. Die festgelegten Vorstandstermine wurden den Parteimitgliedern per Newsletter bekanntgegeben. Teilnahmelinks wurden an die Gäste geschickt, die sich vorab für die Vorstandssitzungen angemeldet hatten.  

Der Antragsteller wendet sich mit einer E-Mail vom 7. September 2023 an das Schiedsgericht. Er trägt vor, dass der Antragsgegner durch die Art seiner Sitzungen, seine Beschlussfassungen, die Protokollführung und die Schwierigkeiten bei der Einsichtnahme in die Protokolle seine Rechte als Mitglied von Bündnis 90 / Die Grünen verletzt habe.

Der Antragsteller hat beantragt festzustellen:

  1. Der Kreisvorstand des Kreisverbandes Bremerhaven wird aufgefordert, umgehend Abstimmungen im Umlaufverfahren und Sitzungen über ungeeignete Medien, wie beispielsweise WhatsApp, zu unterlassen.
  2. Der Kreisvorstand wird angewiesen, die angemessene Beteiligung der Mitglieder und der Öffentlichkeit sicherzustellen, wie es in den Richtlinien der Satzung des Kreisverbandes vorgesehen ist.

Der Antragsgegner hat in der mündlichen Sitzung beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er trägt in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass die Nutzungen von Messenger-Diensten in Parteien normal seien, dass Umlaufbeschlüsse für die Arbeit des Vorstandes unabdingbar und zudem nach der Satzung der Grünen Bremerhaven ausdrücklich erlaubt seien. Für den Vortrag des Antraggegner im Einzelnen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2024 verwiesen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar regte das Gericht gemäß § 1 Abs. 1 der Landesschiedsordnung von Bündnis 90 / Die Grünen eine Schlichtung zwischen den Parteien an. Der Antragsgegner schlug vor, dem nächsten Kreisvorstand zu empfehlen, die Sitzungstermine und den Vorschlag zur Tagesordnung vorab mitgliederöffentlich zu machen; sowie das Verfahren von Umlaufverfahren zu regeln. Das Gericht empfahl des Weiteren, dass Protokolle des Kreisvorstandes zumindest mitgliederöffentlich einsehbar sein müssten. Zudem müsse der neue Kreisvorstand besprechen und beschließen, in welchen Chatgruppen mit welcher Beteiligung welche politischen Themen diskutiert werden.  Der Antragsteller war mit diesen Schlichtungsvorschlägen jedoch nicht einverstanden. Das Schlichtungsverfahren wurde sodann beendet.

In der mündlichen Verhandlung wurde unter anderem erörtert, inwieweit der Kreisvorstand außerhalb der öffentlich angekündigten Vorstandssitzungen über WhatsApp kommuniziert und ggf. auch Beschlüsse getroffen hat. Der Antragsteller trug vor, dass es jenseits der angekündigten Vorstandssitzungen Diskussionen und Beschlüsse in einer nur dem Antragsgegner offenstehenden WhatsApp-Gruppe gegeben habe. Es konnte jedoch in der mündlichen Sitzung nicht festgestellt werden, wann genau in welchen Fällen auf welche Art und Weise der Antragsgegner die erforderliche „Öffentlichkeit“ bei Diskussionen und Beschlüssen nicht hergestellt hat.

In der mündlichen Verhandlung wurden zwei weitere Anträge des Antragstellers aufgerufen. Mit diesen will der Antragsteller die Feststellung der Nichtigkeit von zwei konkreten Umlaufbeschlüssen des Antraggegners und zwar denen vom 26. Juni 2023 und vom 8. August 2023 erreichen. Diese Anträge hatte der Antragsteller am 25. September 2023 per E-Mail an das Gericht geschickt. Sie wurden allerdings dem Antragsgegner nicht mehr vor der mündlichen Verhandlung zur Stellungnahme übersandt. In der mündlichen Verhandlung wurde deshalb entschieden, diese Anträge nicht zum Gegenstand des Verfahrens Az. 2/2023 zu machen. Stattdessen werden sie Gegenstand eines weiteren Verfahrens vor dem Landesschiedsgericht.

Zu den weiteren Inhalten der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 9. Februar 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

A. Die Anträge sind zulässig.

    Der Antragsteller ist nach § 4 Abs. 1 c) der Landesschiedsordnung antragsberechtigt.

    Das Landesschiedsgericht von Bündnis 90 / Die Grünen Bremen ist örtlich und sachlich zuständig, weil der Antragsteller die Klärung eines Konfliktes im Sinne des § 1 Abs. 2 a) Landesschiedsordnung von Bündnis 90 / Die Grünen Bremen begehrt.

    Der Antragsteller begehrt mit Antrag 1 eine Unterlassung des Antraggegners und mit Antrag 2 eine Leistung des Antraggegners. Beide Antragsarten sind nach der Landesschiedsordnung von Bündnis 90 / Die Grünen Bremen statthaft. Die Landesschiedsordnung grenzt die Antragsart nicht ein, so dass alle Anträge, die parteiinterne Streitigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 a) Landesschiedsordnung betreffen, grundsätzlich statthaft sind.   

    Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers ist gegeben. § 4 Abs. 1 c) der Landesschiedsordnung sieht vor, dass ein Parteimitglied nur dann einen Antrag stellen kann, wenn es in der Sache selbst unmittelbar betroffen ist. Der Antragsteller hat als Mitglied des Kreisverbandes von Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven ein Recht auf Teilhabe am parteiinternen politischen Geschehen. Dieses Recht ist in § 3 der Satzung des Kreisverbandes von Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven detaillierter ausgestaltet worden. Das parteiinterne politische Geschehen des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen wird maßgeblich von dessen Kreisverband bestimmt.  Den Parteimitgliedern kann die Mitwirkung an der politischen Willensbildung nur gelingen, wenn sie an Diskussionen im Kreisvorstand beteiligt werden. Dementsprechend formuliert die Satzung des Kreisverbandes von Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven in § 10 Abs. 10, dass die Sitzungen des Kreisvorstandes öffentlich sind. Diese Pflicht zur Öffentlichkeit vermittelt jedem Parteimitglied ein subjektives Recht auf Öffentlichkeit.

    Die Anträge sind formgerecht gemäß § 4 Abs. 3 und 4 Landesschiedsordnung.

    Der Vorstand des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen ist zulässiger Antragsgegner nach § 5 Abs. 2 Landesschiedsordnung.

    Die Landesschiedsordnung von Bündnis 90 / Die Grünen Bremen sieht in § 4 Abs. 2 als Frist für die Anfechtung von Entscheidungen von Organen drei Monate vor. Im Übrigen sieht die Landesschiedsordnung keine Antragsfrist vor.

    Vorliegend ficht der Antragsteller keine Beschlüsse des Kreisvorstand an, sondern begehrt ein anderes Verfahren für die Beschlussfassung durch den Kreisvorstand Bremerhaven.

    Allerdings gilt auch für fristlos stellbare Anträge, dass sie unzulässig sind, wenn der Antragsteller sein Antragsrecht wegen Zeitablaufs im Sinne des § 242 BGB verwirkt hätte. Das Zeitmoment für eine Verwirkung steht nicht fest. In der Rechtsprechung werden Fristen zwischen einem und sechs Monaten diskutiert. (Siehe dazu unter anderem OLG Hamm, Urteil vom 1. März 2021 – 8 U 61/20, abrufbar unter: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2021/8_U_61_20_Urteil_20210301.html).

    Vorliegend liegt ein solches Zeitmoment nicht vor. Für die Anfechtung von Beschlüssen kann nämlich keine andere Frist gelten als für Unterlassungs- und Leistungsanträge, die sich aus Beschlüssen herleiten. Der Antragsteller begründet seine Anträge maßgeblich mit Umlaufbeschlüssen des Kreisvorstandes Bremerhaven, die zwischen dem 26. Juni 2023 und dem 21. August 2023 getroffen wurden. Mit den am 7. September per Mail beim Landesschiedsgericht eigegangenen Anträgen wahrt der Antragsteller die Dreimonatsfrist.

    B. Die Anträge sind teilweise begründet.

    I Beschlüsse im Umlaufverfahren

      Für Parteien gilt das Vereinsrecht, soweit das Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz) keine spezielleren Regeln trifft.

      Für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren von Vereinen gelten §§ 32, 28 BGB in der Fassung vom 21. März 2023. Vom 28. März 2020 zum 31. August 2022 galten die Corona-Sonderregelungen mit den Erleichterungen im Vereinsrecht. Vom 1. September 2022 bis zum 20. März 2023 galten die vereinsrechtlichen Regelungen, die auch bis zum 28. März 2020 galten.  Nach den seit dem 21. März 2023 geltenden Regelungen können Beschlüsse im Umlaufverfahren nur getroffen werden, wenn alle Vorstandsmitglieder ihre Zustimmung schriftlich erklären.  Als schriftlich gilt nicht die Textform nach § 126b BGB. Ein Telefax wahrt die Schriftform, eine E-Mail nicht, da diese nur der Textform entspricht.

      Vereine können jedoch zu den Regeln des Vereinsrechts in §§ 26 BGB ff abweichende Regeln treffen. Sofern sie wesentliche Punkte ungeregelt lassen, gilt ergänzend das BGB.

      Die Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen in der Fassung von 2019 trifft Regelungen für Sitzungen und Beschlussfassungen durch den Kreisvorstand. Die Fassung dieser Satzung, die dem Gericht vorlag, ist nicht datiert. Laut Auskunft des Kreisvorstandsprechers (per Mail an die Schiedsgerichtsvorsitzende vom 26.2.2024) stammt die Satzung aus dem Jahr 2004 und wurde seitdem mehrfach in einzelnen Punkten geändert. Laut der Internetseite des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen ist die aktuelle Satzung 2019 beschlossen worden, https://gruene-bremerhaven.de/satzung/. Eine Geschäftsordnung des Vorstandes des Kreisverbandes Bremerhaven liegt nicht vor.

      Vorliegend wird in § 10 Abs. 8 S. 2 Satzung des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven festgelegt, dass eine Beschlussfassung auch durch ein Umlaufverfahren zulässig ist, soweit dem nicht durch ein Vorstandsmitglied widersprochen wird. Es fehlen jedoch Regeln zur Art des Umlaufverfahrens – textlich oder schriftlich -, zur Mindestbeteiligung der Vorstandsmitglieder am Umlaufverfahren, zum zeitlichen Ende des Umlaufverfahrens sowieso zur Beschlussmehrheit. Diese Regelungslücken werden nicht durch höherrangiges Satzungsrecht, namentlich die Satzungen des grünen Bundes- und des Landesverbandes geschlossen.  Die Geschäftsordnung des Bundesvorstandes von Bündnis 90 / Die Grünen sieht vor: „Der Bundesvorstand trifft sich regelmäßig zu ordentlichen Sitzungen, zu denen der Politische Geschäftsführer schriftlich unter Angabe der Tagesordnung einlädt.“

      Da die Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen die Art und Weise des Umlaufverfahrens nicht regelt, gelten die gesetzlichen Regelungen, also Schriftform für das Umlaufverfahren und Einstimmigkeit, § 32 Abs. 3 BGB.

      Sollte der Kreisvorstand Bremerhaven zukünftig Beschlüsse im Umlaufverfahren in Textform digital per E-Mail oder Instant Messaging Dienst (Messenger) wie WhatsApp durchführen wollen, so muss das in der Satzung des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven oder in einer Geschäftsordnung des Kreisvorstandes geregelt werden.  Außerdem muss der Ablauf des Umlaufverfahrens detaillierter festgelegt werden.  

      Zudem empfiehlt das Schiedsgericht dem Kreisvorstand aus Datenschutzgründen einen anderen Social Messenger Dienst als WhatsApp zu verwenden, zum Beispiel Signal oder Threema. Dafür sprechen folgende Gründe: Der Kreisverband Bremerhaven der Partei Bündnis 90 / Die Grünen ist an die Datenschutzgrundverordnung gebunden. WhatsApp verarbeitet über die geschickten Nachrichten hinaus Daten. So erfolgt ein ständiger Upload von Adressbuchdaten zu WhatsApp. Sofern WhatsApp für Kreisvorstands-Aktivitäten genutzt wird, müssen alle Nutzer*innen in die durch WhatsApp erfolgende Datenverarbeitung einwilligen.

      II Beschlussprotokolle

        Über Beschlüsse des Kreisvorstandes ist ein Protokoll anzufertigen, in das jedes Mitglied auf Verlangen Einsicht nehmen kann. Das wird in § 10 Abs. 8 S. 2 Satzung des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven festgelegt. In der Satzung stehen keine Vorgaben zum Protokollinhalt und -führer*in.

        Über den notwendigen Inhalt eines ordnungsgemäßen Protokolls und den*die Protokollführer*in gibt das Gesetz (BGB) keine Auskunft.  Das Gesetz gibt gemäß § 58 Nr. 4 BGB nur vor, dass ein Protokoll über das Zustandekommen von Beschlüssen der Mitgliederversammlung abzufassen ist, wenn die Beschlüsse zum Vereinsregister angemeldet werden müssen.

        Das vom Protokollführer unterzeichnete Protokoll einer Vorstandssitzung ist eine Privaturkunde, § 416 ZPO. Es dient zunächst als schriftliche Informationsquelle der Vorstandsmitglieder des Kreisverbandes über den Inhalt und das Zustandekommen der Vorstandsbeschlüsse (§ 28 BGB) während der Vorstandssitzung, um sich den genauen Inhalt von Absprachen und Beschlüssen während der Vorstandssitzung erneut ins Gedächtnis zu rufen.

        Des Weiteren dient das Protokoll der Vorstandssitzung der Verantwortlichkeit gegenüber der Mitgliederversammlung und einzelnen Mitgliedern.

        Folgende Angaben sollte jedoch ein ordnungsgemäßes Ergebnisprotokoll enthalten:

        • Tag, Ort und Uhrzeit der Vorstandssitzung;
        • Art der Vorstandssitzung – hybrid oder in Präsenz
        • Name der Teilnehmenden
        • Eröffnung der Versammlung durch den Versammlungsleiter;
        • ggf. Bestimmung der protokollführenden Person;
        • Feststellung der Beschlussfähigkeit;
        • Feststellung der satzungsmäßigen Einberufung;
        • Feststellung, dass die Tagesordnung der Einladung beigefügt wurde;
        • ggf. Bericht der jeweiligen Vorstandsmitglieder;
        • ggf. Aufnahme von abgegebenen Erklärungen eines Vorstandsmitglieds
        • Gestellte Anträge mit genauem Wortlaut, über die abgestimmt wurde;
        • Ggf. Nachträgliches Erscheinen von Vorstandsmitgliedern oder deren Aufbruch vor Schließung der Sitzung;
        • Art (Handzeichen, Stimmzettel, schriftliches Umlaufverfahren) der jeweiligen Abstimmungen und ein zahlenmäßiges Abstimmungsergebnis (grundsätzlich: Ja-Stimmen, Nein-Stimmen Enthaltungen, ungültige Stimmen);
        • Schließung der Vorstandssitzung;
        • Unterzeichnung des Protokolls durch den/die Versammlungsleiter/-in und den/die Protokollführer*in.

        Zu den Anforderungen an das Protokoll der Kreisvorstandssitzung siehe https://www.vereinsrecht.de/protokollfuehrung-im-verein.html#2-gesetzliche-vorgaben-und-vorgaben-der-vereinssatzung-zur-protokollfuhrung-2; https://www.vereinsrecht.de/protokollfuehrung-im-verein.html#2-gesetzliche-vorgaben-und-vorgaben-der-vereinssatzung-zur-protokollfuhrung-2; (jeweils abgerufen am 28. März 2024)

        Das Schiedsgericht regt an, bei einer Überarbeitung der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen auch die Anforderungen an die Protokollierung von Vorstandssitzungen und -beschlüssen sowie von Mitgliederversammlungen und deren Beschlüssen zu regeln.

        III Hybride und virtuelle Vorstandssitzungen

          Sitzungen des Kreisvorstandes sind hybrid, aber nicht (ausschließlich) virtuell zulässig. §§ 32 Abs. 2, 28 BGB legen fest, dass Vereinsvorstände ihre Sitzungen hybrid durchführen können. Wird eine hybride Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Vorstandsmitgliedern, die digital an der Vorstandssitzung teilnehmen, muss ermöglicht werden, ihre Vorstandsrechte digital auszuüben.

          Bis zum 31. August 2022 durften Vereinsvorstandssitzungen aufgrund der für Vereine geltenden Corona-Sonderregelungen auch (ausschließlich) virtuell durchgeführt werden. Seit dem 1. September 2022 bedarf es, sofern Vorstandssitzungen (ausschließlich) virtuell zulässig sein sollen, eines entsprechenden Vorstandsbeschluss.

          Die Satzung des Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen Bremerhaven in der dem Gericht vorliegenden Fassung regelt nicht, ob Vorstandssitzungen virtuell zulässig sind. Laut Auskunft des Sprechers des Kreisvorstands Bremerhaven per Mail vom 23. Februar 2024 liegt ein Vorstandbeschluss, dass Vorstandssitzungen virtuell durchgeführt werden dürfen, nicht vor.

          IV Öffentlichkeit von Kreisvorstandssitzungen

            Vorstandssitzungen sind laut § 10 Abs. 10 der Satzung des Kreisverbandes in der dem Gericht vorliegenden Fassung öffentlich. Durch absoluten-Mehrheits-Beschluss des Vorstandes können Sitzungen jedoch nichtöffentlich durchgeführt werden. Auf Nachfrage der Vorsitzenden antwortete der Kreisvorstandssprecher per Mail am 26.2.2024, dass „öffentlich“ sich auf eine Öffentlichkeit von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern beziehe. Der Kreisvorstand habe einige Male beschlossen, dass die Vorstandssitzungen nur mitgliederöffentlich seien. Zudem habe es nicht-öffentliche Teile der Vorstandssitzungen zu säumigen Mitgliedern, Neu-Aufnahmen etc. gegeben. Für alle Kreisvorstandsitzungen seien sie in Präsenz oder hybrid durchgeführt, ist demnach zu gewährleisten, dass interessierte Personen innerhalb und außerhalb der Partei Bündnis 90 / Die Grünen daran teilnehmen können.

            Die Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven in der dem Gericht vorliegenden Fassung legt die Bedingungen der Einladung zu Vorstandssitzungen und des Erstellens einer Tagesordnung nicht fest. Da die Satzung keine Formalitäten zu Einladungen und Tagesordnung vorgibt, ist der Vorstand nicht an eine bestimmte Form und Frist gebunden. Im Bürgerlichen Gesetzbuch sind die Bedingungen der Einladung zu Vorstandssitzungen und des Erstellens einer Tagesordnung nicht festgelegt.

            Zugleich ist es dem Kreisvorstand Bremerhaven nicht gänzlich freigestellt, wie, wann und wo er zu Vorstandssitzungen einlädt. Ein Grundgedanke von Bündnis 90 / Die Grünen ist die Teilnahme und Teilhabe jedes Mitglieds und seine Möglichkeit, sich zu Wort zu melden, Anträge zu stellen und sich an Diskussionen und Abstimmungen zu beteiligen. Dieser Grundgedanke findet in § 3 der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven Ausdruck. Danach hat jedes Mitglied unter anderem das Recht an der politischen Willensbildung der Partei in der üblichen Weise, z.B. Aussprachen, Anträge und Abstimmungen, mitzuwirken, und an allen Sitzungen von Parteiorganen teilzunehmen, soweit diese mitgliederöffentlich sind. Die Verwirklichung dieses Recht in Bezug auf die Teilnahme an Kreisvorstandssitzungen ist aber nur möglich, wenn die Parteimitglieder rechtzeitig genug von Zeitpunkt, Ort und Tagesordnung der Sitzung erfahren, um ihren Alltag so zu organisieren, dass ihnen eine Teilnahme daran möglich ist.  

            Die Regelungslücke in der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven kann nicht durch Heranziehung der Satzungen des Landes- oder Bundesverbandes von Bündnis 90 / Die Grünen geschlossen werden. In beiden Satzungen finden sich keine entsprechenden Regelungen. Ebenso wenig finden sich Regeln dazu in Satzungen anderer Kreisverbände von Bündnis 90 / Die Grünen in Bremen (siehe unter anderem Satzung des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremen-Ost, Beschlossen am 13.06.1984; erstmalig geändert am 12.11.1988; dann am 21.05.1991, 04.04.1995, 14.06.2005, 04.09.2007, 13.09.2011 und 14.09.2022.)

            Die Einberufung der Kreisvorstandssitzungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit muss deshalb nach billigem Ermessen erfolgen: Die Öffentlichkeit muss demnach rechtzeitig vorab den Termin und den Ort der Kreisvorstandssitzung als auch deren Tagesordnung sowie im Fall einer hybriden Sitzung den Teilnahmelink erfahren. Diese Bekanntgabe muss über geeignete Medien (Newsletter, Homepage, Messenger) geschehen. Rechtzeitig heißt, dass die an der Kreisvorstandssitzung interessierten Personen zeitlich so von Zeitpunkt, Ort, Teilnahmelink und Tagesordnung Kenntnis nehmen können, dass es ihnen möglich ist, in einem in der Regel komplexen Alltag das Zeitfenster für die Vorstandssitzung freizuhalten und sich vor der Sitzung mit der Tagesordnung zu befassen.

            Es wird angeregt, in der Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven die Einladung zu Vorstandssitzungen und das Erstellen von Tagesordnungen genauer zu regeln. Zwar ist eine solche Regelung in einer Partei-Satzung nicht zwingend erforderlich (siehe OLG Oldenburg, Beschl. v. 13.7.2017 – 12 W 92/17). § 58 BGB fordert insoweit nur, dass die Satzung Bestimmungen zur Form der Einberufung der Mitgliederversammlung enthält. Allerdings reduzieren klare Regelungen über die Form der Einberufung von Kreisvorstandssitzungen mögliche Konflikte.

            Das Schiedsgericht regt des Weiteren an, dass der Kreisverband überdenkt, ob Kreisvorstandssitzungen tatsächlich öffentlich sein sollen und damit auch nicht Nicht-Parteimitgliedern offenstehen oder ob sie nur mitgliederöffentlich sein sollen und damit nur Partei-Mitgliedern offenstehen. Für eine Begrenzung der Teilnehmenden an Vorstandssitzungen auf Partei-Mitglieder spricht, dass so die erforderlichen Einladungsmodalitäten (siehe oben) besser eingehalten werden können. Auch die Satzungen des Landesverbandes Bremen von Bündnis 90 / Die Grünen (§ 9 Abs. 7, https://gruene-bremen.de/downloads/) sowie weiterer Kreisverbände in Bremen – siehe Kreisverband Bremen-Ost (§ 9 Abs. 5), Kreisverband Links-der-Weser (§ 8 Abs. 5, https://gruene-linksderweser.de/wp-content/uploads/2018/03/Satzung-KV-Bremen-Links-der-Weser.pdf), Kreisverband Bremen-Nord (§ 7, https://gruene-bremen-nord.de/kreisverband/satzung) sehen nur eine Mitgliederöffentlichkeit von Vorstandssitzungen vor. Sollte nur eine Mitgliederöffentlichkeit von Vorstandssitzungen gewünscht sein, muss die Satzung des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen entsprechend geändert werden.

            Im Übrigen, auch wenn das nicht Gegenstand dieses Verfahrens war, regt das Schiedsgericht an, das der Kreisverband Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven, seine Satzung mit den Daten der Beschlussfassung und der Änderungen versieht.

            V Zur Kommunikation über Social Messenger Dienste

            Zur Öffentlichkeit von Sitzungen zählt auch, dass während der Kreisvorstandssitzung wesentliche politische Inhalte besprochen werden. Auf einer solchen öffentlichen Sitzung muss für jede*n Teilnehmende*n zumindest erkennbar sein, welche Beschlüsse der Vorstand aus welchen Gründen trifft. Das Recht jedes Parteimitgliedes des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen Bremerhaven auf Mitwirkung an der politischen Willensbildung und das damit in Verbindung stehende Recht auf Teilnahme an Sitzungen des Kreisvorstandes, sofern diese für nicht-öffentlich erklärt wurden, würde leerlaufen, wenn während einer Vorstandsitzung nichts Relevantes besprochen würde, weil der Vorstand die wesentliche politische Kommunikation in nicht-öffentlichen Chats durchführt.

            Zugleich ist es dem Kreisvorstand Bremerhaven selbstverständlich nicht untersagt, jenseits von Kreisvorstandssitzung analog oder digital zu kommunizieren. Eine solche Kommunikation muss nicht öffentlich erfolgen. Sie ist erforderlich, um politische Entscheidungen vorzubereiten und den Zusammenhalt zwischen den Vorstandsmitgliedern zu gewährleisten. Sofern der Kreisvorstand Bremerhaven jedoch politische Debatten im Wesentlichen in Chats führt, regt das Schiedsgericht an, dafür eine Messenger-Gruppe zu wählen, die allen Mitgliedern offensteht.

            Dass Chatverläufe im politischen Kontext von öffentlichem Interesse sein können, zeigen aktuell die Diskussionen um selbstlöschende Chat-Verläufe auf dem Diensthandy der Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, Aminata Touré, https://www.landtag.ltsh.de/nachrichten/24_01_24_handy_samadzade/ (abgerufen am 15.8.2024) und die nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten Chats der Leitungsebene des Bundesbildungsministeriums im Zusammenhang mit der „Fördermittel-Affäre“, https://www.forschung-und-lehre.de/politik/foerdermittel-affaere-erfasst-doering-nachfolger-6532 (abgerufen am 15.8.2024)

            VI Kostenentscheidung

            Die Kostenentscheidung erfolgte gemäß § 17 Landesschiedsordnung.

            Das Original des Urteils, inklusiver der Nennung der Beteiligten und der Unterschriften der Schiedsrichter*innen kann in der LGS bei der Geschäftsführung des Landeschiedsgerichts eingesehen werden.

            Eine pdf Version des Urteils ohne der Namensnennung findet ihr zur besseren Lesbarkeit hier.