Grüne Transformation der Stahlindustrie: Impulse aus dem Bund für Bremen nutzbar machen 4. Dezember 2021 Bremen ist Industriestadt und soll es auch bleiben. Doch das Industrieland der Zukunft kann und wird nicht den Geist der Vergangenheit leben (können). Rauchende Schlote, vom Kohlestaub schwarze Häuserwände, all das ist die Vergangenheit. Tausende Menschen, die in Industriebetrieben arbeiten, die einen wesentlichen Beitrag zum Wohlstand unseres Bundeslandes und der gesamten Republik geleistet haben und auch in Zukunft leisten werden, sind Teil unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Mit einem wettbewerbsfähigen grünen Stahlproduktionsstandort kann Bremen eine Vorreiterin in der Welt für eine dekarbonisierte Industrie werden. Stahl ist dabei der Grundstoff für die Energie- und Verkehrswende, denn er wird für jedes Windrad und jede neue Eisenbahnschiene gebraucht. Damit diese Zukunft in Deutschland und in unserem Bundesland liegen kann, gilt es, jetzt die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Nur so können wir auch Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. Mit dem Koalitionsvertrag der designierten Ampel-Koalition auf Bundesebene, weiteren Schritten auf europäischer Ebene und den nötigen Maßnahmen im Bundesland gehen wir konsequent den Weg voran und bringen unseren Industriestandort auf Kurs Klimaschutz. Die Industrie macht allein ca. 8 % der CO2-Emissionen in Deutschland aus. In Bremen sind es mehr als 50 %, allein durch die Stahlindustrie. Der Koalitionsvertrag der neuen designierten Ampel-Koalition auf Bundesebene und der Zuschnitt des künftigen Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter Robert Habeck macht deutlich: Eine moderne Klimaschutzpolitik ist Industriepolitik und andersherum. Der neue Koalitionsvertrag schafft die richtigen Voraussetzungen dafür, dass Wirtschaft und Klimaschutz nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Durch Carbon Contracts for Difference und die Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien wird eine in internationalen Märkten wettbewerbsfähige Transformation für energieintensive Industrien möglich. Gleichzeitig schafft das neue Ministerium die Rahmenbedingungen für eine Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben, die dringend notwendig sind. Damit sind die Weichen gestellt für die Dekarbonisierung des Bremer Stahlwerks. Das Stahlwerk plant 2026 den ersten der beiden kohlebetriebenen Hochöfen gegen eine Wasserstoff- und Erdgasbetriebene Direktreduktionsanlage und einen Lichtbogenofen auszutauschen. Allein in Bremen könnten ab dem Jahr 2026 dadurch bis zu 20% der aktuellen CO2-Emissionen des Landes eingespart werden (2,3 Millionen Tonnen CO2 jährlich). Gleichzeitig ist geplant, in Bremen Eisenschwamm für Eisenhüttenstadt mitzuproduzieren, sodass auch dort ein Hochofen abgeschaltet werden kann. Im Jahr 2032 soll Stand jetzt der zweite Hochofen in Bremen folgen. Klimaneutral ist die Stahlherstellung aber erst, wenn keine fossilen Energien, auch kein Erdgas mehr zum Einsatz kommt. Die Produktion von grünem Wasserstoff ist dafür essenziell. Durch ein weiteres EU-gefördertes Projekt „Clean Hydrogen Coastline“ können 300 MW Produktionskapazität am Standort Bremen aufgebaut werden. Die Bremer Klimaziele sind maßgeblich von der Stahlindustrie abhängig. Solange das Stahlwerk nicht umgestellt wird, können wir in Bremen höchstens 50 % der CO2-Emissionen einsparen. Derzeit sieht es so aus, als ob eine Umstellung erst 2032 vollständig umsetzbar ist. Auch wenn es bis 2032 noch zehn Jahre Zeit sind, erfordert diese Transformation einen sehr ambitionierten Zeitplan. Neben den neuen Produktionsanlagen müssen neue Stromleitungen und eine Wasserstoffinfrastruktur gebaut werden. Durch die aktuellen Fristen für Genehmigungs- und Planungsverfahren von Infrastrukturprojekten ist dieser Plan bereits die schnellstmögliche Variante. Damit dies funktioniert, müssen Land und Bund Hand in Hand arbeiten. Wir begrüßen daher ausdrücklich das im Koalitionsvertrag fixierte Ziel, die Verfahrensdauer bei Genehmigungsverfahren mindestens zu halbieren, eine Wasserstoffnetzinfrastruktur aufzubauen, die Produktion von grünem Wasserstoff zu fördern sowie einen ambitionierten Plan zum Stromnetzausbau umzusetzen. Wir begrüßen auch, dass regionale Transformationscluster finanziell unterstützt werden sollen. Ebenso wichtig ist das Vorhaben durch europäische und internationale Initiativen wie dem Klimaclub, Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, die Betrieben wie dem Bremer Stahlwerk, die Transformation ermöglichen. Während der Bund die Rahmenbedingungen für Finanzierung und Infrastruktur schaffen muss, müssen wir in Bremen eine Co-Finanzierung der Projekte sicherstellen und Planungs- und Genehmigungsverfahren mit höchster Priorität behandeln. Auf uns kommen dabei auch große Herausforderungen zu. Neben der Bereitstellung der finanziellen Mittel, benötigt die Transformation erhebliche neue Produktionsflächen, die in Bremen bekanntermaßen knapp sind. Darüber hinaus könnten die zu planenden Stromleitungen gegebenenfalls in Konflikt mit Landschafts- und Naturschutz stehen. Hier Flächen bereitzustellen und Lösungen im Einklang mit Natur- und Artenschutz zu finden, wird die Aufgabe der nahen Zukunft sein. Wir Bremer Grüne unterstützen die Transformationsprojekte des Stahlwerks und die Bestrebungen des Koalitionsvertrags und werden in Bremen alles Notwendige tun, um diese schnellmöglich umzusetzen. Mit diesem Antrag möchten wir deutlich machen, was es dafür im Bund, in EU und auf Bremer Ebene braucht. 1. Wir fordern, dass die notwendigen finanziellen Mittel für die Kofinanzierung der Projekte durch die rot-grün-rote Landesregierung in Bremen zur Verfügung gestellt werden. 2. Wir fordern, dass die Planungs- und Genehmigungsprozesse für den Bau von Stromleitungen und Pipelines flexibel und schnell durch die Landesregierung begleitet und umgesetzt werden. Dazu braucht es eine gute Abstimmung zwischen den Ressorts, eine klare Prioritätensetzung, sowie eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung. Natur- und Artenschutz wollen wir mit dem Infrastrukturausbau, so gut es geht, in Einklang bringen. 3. Wir erwarten von der Landesregierung, sich auf Bundesebene für die Aufnahme der Stromnetzanbindungen für das Stahlwerk bei der Netzentwicklungsplanung einzusetzen. Gleichzeitig fordern wir, auf Bundesebene schnellstmöglich die Netzentwicklungspläne und den Bundesbedarfsplan auf die neuen Ausbauziele im Koalitionsvertrag anzupassen. 4. Wir fordern die zukünftige Ampel-Koalition dazu auf, die Genehmigungsprozesse für sogenannte „kritische Brücken“ (besonders relevante Infrastrukturprojekte) im Rahmen des Klimaschutz-Sofortprogramms in den ersten sechs Monaten der Regierung so zu vereinfachen und zu beschleunigen, dass eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2035 möglich wird. Dazu braucht es mehr Personal in Gerichten und Verwaltung, leistungsfähige Datenbanken, kurze Fristen und eine Vereinfachung der Verfahren. 5. Der Ausbau der erneuerbaren Energien auch zur Erzeugung von grünem Wasserstoff muss so schnell wie möglich vorangetrieben werden. Die neuen Zielzahlen im Koalitionsvertrag, insbesondere für die Offshore-Windenergie, bieten dafür eine gute Grundlage. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, die Solar-Cities-Initiative vollständig umzusetzen sowie das Repowering von Windenergieanlagen und weitere Flächenausweisung für neue Windenergieanlagen weiter voranzutreiben. 6. Aufgrund der sehr hohen Bedarfe an grünem Wasserstoff für industrielle Anwendungen wie der Stahlproduktion, ist schon jetzt klar, dass künftig große Mengen von grünem Wasserstoff importiert werden müssen. Bund und EU müssen daher eine strikte Zertifizierung von grünem Wasserstoff einführen. Das Land Bremen muss daher vorausschauend eine Wasserstoffimportstrategie entwickeln und mit Unterstützung des Bundes den Aufbau einer entsprechenden Importinfrastruktur angehen. 7. Damit auch zukünftig finanzielle Mittel in die richtigen Projekte fließen, fordern wir auf EU-Ebene die richtige Weichenstellung in der Taxonomie, sodass Erdgas und Atomstrom künftig nicht als klimafreundliche Investitionen gekennzeichnet werden. Wir fordern außerdem einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz und die Novellierung der europäischen Klima-, Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien schnell umzusetzen. 8. Die Transformation des Stahlwerks darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Kündigungen oder eine Verschlechterung der Tarifbedingungen in Zusammenhang mit der Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion wären nicht akzeptabel. Das ist unser Anspruch an eine sozial-ökologische Transformation, die in hohem Maße durch öffentliche Gelder unterstützt wird. Gemeinsam mit den Gewerkschaften und im Dialog mit den Stahlwerkbetreibern wollen wir dieses Ziel erreichen und so eine Transformation an der Seite der Beschäftigten ermöglichen.