Frauen vertrauen! Selbstbestimmter Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch.

Beschluss der Grünen Landesmitgliederversammlung vom 19.01.2025

Für uns Bremer Grüne ist klar: der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch muss raus aus dem Strafgesetzbuch. Denn der § 218 ist ein schlechtes Gesetz. Es steht selbstbestimmten Entscheidungen Schwangerer und einer guten Gesundheitsversorgung im Weg. Darum braucht es gesetzliche Regelungen, die Verfassungsrecht, Menschenrechte und Gesundheitsversorgung zusammendenken.

Eine ungewollte Schwangerschaft ist für die Betroffene eine schwierige Situation. Frauen in einer solchen Lage zu kriminalisieren und zu stigmatisieren, erschwert ihre Situation nur. Stattdessen: Frauen vertrauen! Jede Schwangere soll sicher sein können, dass sie die bestmögliche Unterstützung erhält, ob sie sich für das Austragen einer Schwangerschaft entscheidet oder dagegen.

Jede dritte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben ungewollt schwanger. Damit Frauen selbstbestimmt über ihren Körper und ihr Leben bestimmen können, brauchen wir ein liberaleres Abtreibungsrecht in Deutschland. Die Stigmatisierungen von Betroffenen, von Ärztinnen und Ärzten und beratenden Fachkräften muss beendet werden. Neue gesetzliche Regelungen sind erforderlich – noch in dieser Wahlperiode.

Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland verboten und gelten als Straftat. Nur unter bestimmten Voraussetzungen wird von der Strafbarkeit abgesehen: der Abbruch muss innerhalb der ersten 12. Wochen stattfinden, die Schwangere muss sich vorher beraten lassen und eine dreitägige Wartefrist einhalten. Viele Frauen empfinden diese Regelung als bevormundend und überholt. Bei der Wiedervereinigung war die restriktive Regelung in der Bundesrepublik für viele ostdeutsche Frauen ein Rückschritt.

Mit dem Gesetz zur Sicherstellung bedarfsgerechter Angebote zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen hat das Land Bremen die Grundlagen geschaffen, um zu gewährleisten, dass unterschiedliche Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch ausreichend zur Verfügung stehen. Doch wesentliche Zugangshürden zu einem medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch können nur mittels Bundesgesetzgebung effektiv beseitigt werden, darunter die Übernahme der Kosten, die Betroffene bisher meist selbst tragen, und die Schließung von Versorgungslücken in vielen Teilen Deutschlands, aufgrund derer in Bremen auch Menschen aus anderen Bundesländern Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lassen. Wegen dieser und weiterer Zugangshürden wie der Beratungspflicht und Wartezeit sowie aufgrund der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs wird Deutschland seit Jahren von internationalen Menschenrechtsgremien kritisiert.

Zugang zu einem medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbruch ist Teil notwendiger Gesundheitsversorgung. Die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung für alle Betroffenen wird durch eine außerstrafrechtliche Regelung ermöglicht. Mehr Gynäkolog*innen wären bereit, Schwangerschaftsabbrüche in ihr Leistungsspektrum aufzunehmen. Das staatlich finanzierte professionelle Beratungsangebot stünde allen Schwangeren zur Verfügung, ohne Zwang.

Gemeinsam mit SPD und FDP haben wir auf Bundesebene die Einberufung einer unabhängigen Kommission beschlossen, um die noch offenen und drängenden Fragen zur Reproduktiven Selbstbestimmung zu klären. Die interdisziplinär besetzte Kommission von Expertinnen aus den Bereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften sollte prüfen, ob und gegebenenfalls, wie die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches getroffen werden kann.

Die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin hält in ihrem Abschlussbericht von April 2024 eine Gesetzesreform für unabdinglich und legt Gestaltungsspielräume dafür dar. Aufbauend auf ihren Empfehlungen haben 26 Verbände und Organisationen einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser zeigt eine Möglichkeit auf, wie der Schwangerschaftsabbruch im Einklang mit dem Grundgesetz, den Menschenrechten der Betroffenen und der internationalen Gesundheitsevidenz geregelt werden kann. Eine Neuregelung wird von der Mehrheit der Bevölkerung befürwortet. Ein patriarchaler Anspruch, über die Körper andere Menschen bestimmen zu können, wie er sich in der geltenden Rechtslage widerspiegelt, entspricht nicht mehr der internationalen Rechtsauffassung zu reproduktiven Rechten. In den meisten europäischen Staaten gelten für ungewollt Schwangere längst liberalere Gesetze als in Deutschland. Fakten, Argumente, internationale Vorgaben, ein politisches Möglichkeitsfenster – das alles liegt nun vor.

Wir Grüne treten als feministische Partei seit vielen Jahren dafür ein, den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Nun gibt es auf Bundesebene die historische Chance, diese überfällige Reform umzusetzen. Diese Chance muss nun genutzt werden! Dabei sind folgende Aspekte zentral:

  • Streichung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch auf Grundlage des Kommissionsberichts
  • Keine Kriminalisierung von Ärzt*innen und Schwangeren
  • Aus- und Weiterbildungsangebote für Gynäkolog*innen schaffen, z. B. nach dem Bremer Modell. Das praktische Erlernen von allen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs muss als fester Bestandteil zur fachärztlichen Weiterbildung zur Frauenheilkunde und Geburtshilfe gehören.
  • Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen durch die Krankenversicherung innerhalb der Regelversorgung
  • Zugangshürden wie die Beratungspflicht und Wartefristen abbauen und das Recht auf Beratung absichern
  • Ausbau von Absicherung freiwilliger und mehrsprachiger Beratungsstrukturen
  • Mehr Aufklärung und Prävention: Niedrigschwelliger Zugang zu sachlichen Informationen u. a. zu Methoden und Reduzierung von Stigmatisierung; zudem muss der Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln für mehr (Alters-)Gruppen ermöglicht werden
  • Absicherung einer wohnortnahen Versorgung bei freier Methodenwahl für die Schwangere