Schiedsgericht Bündnis 90 / Die Grünen Landesverband Bremen
Az. 4/2024
Beschluss
In der Landesschiedsgerichtssache
Vorstand des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen, vertreten durch die Kreisvorstandssprecher*innen
Antragsteller
gegen
Ein Mitglied im Kreisverband Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen
Antragsgegner
hat das Landesschiedsgericht durch
die Vorsitzende Dr. Kirsten Wiese
nach Absprache mit der gewählten Beisitzerin Dagmar Bleiker
ohne mündliche Verhandlung am 28.11.2024 als einstweilige Anordnung beschlossen:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, in seinen Anträgen vom 23. November 2024 getätigte Aussagen in Bezug auf die rechtliche Bedeutung der Empfehlung des Landesschiedsgerichts, die diese mit E-Mail vom 22. November 2024 in Rahmen eines Schlichtungsverfahrens ausgesprochen hat, im Weiteren zu unterlassen und auf der Kreismitgliederversammlung am 28. November 2024 richtig zu stellen.
Die Unterlassung und Richtigstellung betreffen im Einzelnen folgende Aussagen:
- Im Antrag auf Annullierung von zwei Beschlüssen des Kreisvorstandes die Aussage: „Der Kreisvorstand wurde verpflichtet, meine Anträge anzunehmen […].“
- Im Antrag auf Abwahl und Entlassung des Kreisvorstandes der Grünen Bremerhaven die Aussage: „Die Kreismitgliederversammlung ist aufgefordert, die Missstände im Kreisvorstand zu beheben und damit den demokratischen Grundsätzen und der Satzung von Bündnis 90/Die Grünen gerecht zu werden.“
Im Übrigen werden die Anträge abgewiesen.
Tatbestand
Der Antragsteller ist der gewählte Vorstand des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen. Der Antragsgegner ist Mitglied des Kreisverbandes Bündnis 90 / Die Grünen. Die Parteien streiten über den Wahrheitsgehalt von Aussagen hinsichtlich einer Empfehlung des Landesschiedsgerichts vom 22. November 2024 in Bezug auf ein Schlichtungsverfahren.
Der Antragsgegner hat seit 2023 mehrere Anträge an das Schiedsgericht gestellt, um die Rechtmäßigkeit von Handlungen des Vorstandes des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen überprüfen zu lassen. Mit der Entscheidung vom 24. August 2024 gab das Landesschiedsgericht ihm in mehren Punkten Recht.
Am 13. September 2024 beantragte er per E-Mail beim Landesschiedsgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt „Dem Kreisvorstand des Kreisverbands Bremerhaven von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird aufgetragen, dem Antragsteller unverzüglich eine Liste der Mitglieder des Kreisverbands mit den entsprechenden Namen und E-Mail-Adressen zur Verfügung zu stellen. Für Mitglieder, die keine E-Mail-Adresse hinterlegt haben, sind stattdessen die postalischen Anschriften zu übermitteln – in elektronisch verwertbarer Form.“ Der Begründung war zu entnehmen, dass der Antragsgegner eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wollte.
Am 22. November 2024 schriebe das Landesschiedsgericht an die beiden Parteien eine E-Mail mit folgendem Inhalt
„Lieber … [Mitglied im Kreisverband Bremerhaven], Lieber Kreisvorstand Bremerhaven, gemäß § 1 I 2 Landesschiedsordnung soll das Landesschiedsgericht in jedem Stadium des Verfahrens auf eine Schlichtung der Streitigkeit zwischen den Parteien hinwirken. Gemäß § 7 Landesschiedsordnung kann die Vorsitzende des Landesschiedsgerichts Entscheidungen alleine treffen.
Hinsichtlich … [Mitglied im Kreisverband Bremerhaven] Begehren, die aktuelle interparteiliche Situation aufzuklären und den Kreisvorstand zu entlassen, schlage ich vor, dass Du, … [Mitglied im Kreisverband Bremerhaven], bis morgen, 23.11.2024, beantragst, beide Themen in die Tagesordnung für die Kreismitgliederversammlung am 28.11.24 aufnehmen zu lassen und diese sodann vor Ort mit den anwesenden Mitgliedern diskutierst. Der Kreisvorstand sollte die geänderte Tagesordnung per E-Mail an die Mitglieder schicken.
Mit freundlichem Gruß!
Kirsten Wiese als Vorsitzende des Landesschiedsgerichts“
Am 23. November 2024 schickte der Antragsgegner eine E-Mail an den Kreisvorstand Bremerhaven, cc die Vorsitzende des Landesschiedsgerichts, an der drei Anträge hingen, die er für die nächste Mitgliederversammlung einreiche.
In den Anträgen finden sich Formulierungen, die suggerieren, dass der Kreisvorstand und die Kreismitgliederversammlung aufgrund der E-Mail des Landesschiedsgerichts vom 22. November zu bestimmten Entscheidungen verpflichtet seien.
Der Antragsteller beantragte daraufhin am 24. November 2024 per E-Mail beim Landesschiedsgerichts die Richtigstellung bestimmter Aussagen des Antragsgegners.
Der Antragssteller beantragt:
- Den Kläger aufzufordern seine Behauptung, der Kreisvorstand wäre verpflichtet seine Anträge anzunehmen, zu Beginn seiner Antragseinbringung, zurückzunehmen.
- Den Kläger aufzufordern, in der Mitgliederversammlung, zu Beginn seiner Antragseinbringung klarzustellen, dass das Schiedsgericht die Mitglieder nicht dazu auffordert, angebliche Missstände im Kreisvorstand zu beheben.
- Den Kläger dazu aufzufordern, seine Behauptung, das Schiedsgericht hätte uns verpflichtet, seine Anträge per E-Mail an alle Mitglieder zu versenden, zu Beginn seiner Antragseinbringung, zurückzunehmen.
Die Anträge beziehen sich laut E-Mail des Antragstellers vom 24. November 2024 nicht ausdrücklich auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 13 Landesschiedsordnung. Sie wurden aber vom Landesschiedsgericht ob der zeitlichen Dringlichkeit als Anträge auf einstweilige Anordnung verstanden.
Der Antragsgegner stellt keine Anträge. Ihm wurden die Anträge des Antragstellers versehentlich erst kurz vor der Zustellung dieses Beschlusses zugestellt.
Entscheidungsgründe
Die Anträge sind zulässig.
Das Landesschiedsgericht ist gemäß § 1 Landesschiedsordnung sachlich und örtlich zuständig.
Die Anträge sind weitgehend begründet.
Das Schiedsgericht kann im Rahmen des Schlichtungsverfahrens gemäß § 1 Abs. 1 Landesschiedsordnung nur Empfehlungen aussprechen. Können diese Empfehlungen den Streit nicht schlichten, weil sie die Parteien nicht überzeugen oder von ihnen befolgt werden, entscheidet das Gericht über die Anträge. Erst in diesem Gerichtsverfahren über die streitigen Anträge kann das Gericht eine verbindliche Entscheidung treffen.
Selbst in dem Entscheidungsverfahren über die Anträge der Parteien steht es dem Gericht aber nicht zu, die den Organen der Partei qua Satzung zustehende Entscheidungsautonomie außer Kraft zu setzen. Das Gericht kann mithin feststellen, ob Vorgaben der Satzung bzw. übergeordneten Rechts in Abstimmungsverfahren etc. eingehalten worden sind, das Gericht kann aber nicht den Inhalt einer politischen Abstimmung vorgeben. Die Anträge des Antraggegners vom 23. November suggerieren jedoch, das Landesschiedsgericht habe mit seiner E-Mail vom 22. November 2024 bestimmte Entscheidungsinhalte vorgegeben. Das betrifft insbesondere die Aussage, dass die Kreismitgliederversammlung aufgefordert sei, die Missstände im Kreisvorstand zu beheben und damit den demokratischen Grundsätzen und der Satzung von Bündnis 90/Die Grünen gerecht zu werden. Da diese Aussage in dem Antrag vom 23. November 2024 dem Satz „Dieser Antrag wird gestellt als Schlichtungsversuch im Rahmen der Anordnung des Schiedsgerichts (Az. 2/2023).“ folgt, liegt nahe sie so verstehen, als habe das Schiedsgericht die Kreismitgliederversammlung angeordnet, die Missstände im Kreisvorstand zu beheben. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr hat das Landesschiedsgericht in seiner E-Mail vom 22. November 2024 vorgeschlagen, dass der Antragsgegner, Anträge, zu denen er eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen wollte, bereits auf der ordentlichen Mitgliederversammlung stellt. Dieser Vorschlag betraf mithin das Verfahren zur Behandlung dieser Anträge nicht aber den Inhalt der Abstimmung über diese Anträge.
Des Weiteren liegt es nahe, die Aussage, der Kreisvorstand sei verpflichtet worden, die Anträge des Antraggegners anzunehmen, so zu verstehen, dass der Antragsteller ohne ein Dazutun des Landesgerichts die Anträge des Antraggegners nicht auf die Tagesordnung für die Kreismitgliederversammlung am 28. November 2024 gesetzt hätte. Das lässt sich aber nicht beweisen. Dem Antragsgegner stand es vielmehr frei in der Antragsfrist bis zum 23. November 2024 Anträge für die bevorstehende Kreismitgliederversammlung zu stellen und davon hat der Antragsgegner am 23. November 2024 Gebrauch gemacht.
Die falschen Aussagen des Antraggegners sind geeignet, den Ruf des Vorstandes des Kreisverbandes Bremerhaven von Bündnis 90 / Die Grünen zu schädigen und dadurch seine politische Handlungsfähigkeit zu belasten. Der Kreisvorstand einer Partei wird zwar zunächst durch die Wahlen auf der Kreismitgliederversammlung legitimiert. Sodann ist aber hinsichtlich der Durchsetzung seiner Beschlüsse und seiner Gestaltungsfähigkeit in der Partei auf seine Glaubwürdigkeit und sein Ansehen in der Partei und möglicherweise auch in der Öffentlichkeit angewiesen. Dieses Ansehen des Kreisvorstandes aber wird gefährdet, wenn ihm unterstellt wird, er missachte die Antragsrechte von Mitgliedern. Dies gilt umso mehr, da auch die Presse über den Streit zwischen den Parteien berichtet, https://www.nordsee-zeitung.de/bremerhaven/streit-bei-bremerhavener-gruenen-heute-stellt-ein-mitglied-den-vorstand-infrage-253862.html.
Das Original des Urteils, inklusiver der Nennung der Beteiligten und der Unterschriften der Schiedsrichter*innen kann in der LGS bei der Geschäftsführung des Landeschiedsgerichts eingesehen werden.
Eine pdf Version des Urteils ohne der Namensnennung findet ihr zur besseren Lesbarkeit hier.