Joachim Larisch zur Wahlnachlese

Ich meine,
dass nach dem desaströsen Wahlergebnis 2023 mehr erforderlich ist als die Mitteilung, dass unsere Spitzenkandidatin als Senatorin bei einer etwaigen weiteren Regierungsbeteiligung nicht zur Verfügung steht (wohl aber –soweit ersichtlich – ihr Bürgerschaftsmandat wahrnehmen möchte). Nicht ausreichend erscheint auch die Ankündigung der Landesvorstandssprecherin und des Landesvorstandssprechers, nicht mehr für den Landesvorstand kandidieren zu wollen. Erforderlich ist es vielmehr, die politischen Schwerpunkte und die Ergebnisse unserer langjährigen Regierungsbeteiligung zu bewerten. Die Landesmitgliederversammlung zur Verabschiedung des Wahlprogramms – und wir als die Mitgliedschaft insgesamt – haben sich dieser Aufgabe nicht gestellt. Die Wählerinnen und Wähler indes haben dies in einer Weise getan, die kaum Zweifel an ihrem Urteil aufkommen lassen kann, auch wenn in unseren Reihen gelegentlich die Bundespolitik, die Handelskammer, die Konkurrenz zwischen den Spitzenkandidaten von SPD und CDU sowie die lokale Presse als (Mit-)Ursache für das Wahlergebnis angeführt werden.

Das Urteil der Wählerinnen und Wähler ist eindeutig: Bündnis 90/Die Grünen in Bremen genügen ihren Ansprüchen nicht. Daher haben sie sich in großem Umfang anderen Parteien und insbesondere der SPD zugewandt. Angesichts dieses klaren Urteils mutet es schon seltsam an, wenn während des Parteiratschlags am 15.5.2023 wiederholt das Wahlprogramm gelobt und der vermeintlich große Zuspruch jüngerer Wählerinnen und Wähler vermeldet wird. In den bisher veröffentlichen Zahlen findet sich dazu allerdings kein Hinweis. Jenseits diverser entschuldigender Narrative, „Gesundbetereien“ und persönlicher Anteilnahme wird es auch unabhängig von einer etwaigen Regierungsbeteiligung in den nächsten Wochen und Monaten erforderlich sein, die erkennbar vorhandenen politischen Differenzen in der Partei zu artikulieren, Schwerpunkte der politischen Arbeit zu bestimmen (ja, auch mehrheitlich nach strittigen Diskussionen z.B. zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs, zur Zukunft des Flughafens oder der kommunalen Krankenhäuser) und daraus eine politische Strategie zu entwickeln, die in der Lage ist, über das eigene Milieu und den dort gepflegten Gewissheiten hinaus gesellschaftliche Bündnisse zu entwickeln. An dieser politischen Aufgabe sind wir als Partei mit dem Landesvorstand und ihrer Spitzenkandidatin gescheitert. Dieses Scheitern anzuerkennen, die Attitüde als ökologische Heilsbringer aufzugeben und kritische Rückfragen nicht pauschal als Kampagne feindlicher Medien oder des politischen Gegners zu diskreditieren, wäre ein erster Schritt.

Joachim Larisch

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