Ich meine,…
… Ehrlichkeit und die Fähigkeit zur Selbstkritik müssen unser grüner Kern bleiben.
Unsere Bundesvorsitzenden haben in der vergangenen Woche den Rücktritt der grünen Familienministerin so kommentiert: „Anne Spiegel hat Fehler eingestanden. So eine Offenheit hat man selten gesehen im politischen Betrieb. Dafür gebühren ihr großer Respekt und Anerkennung. Der Rücktritt – so unglaublich schwierig diese Entscheidung auch war – ist der richtige Schritt.“ Keinen von uns hat es vermutlich kalt gelassen, mit ansehen zu müssen, wie Anne Spiegel öffentlich ihr Scheitern offenbart hat.
Das Statement des Bundesvorstands ist aber nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte ist, dass es sehr lange, viel zu lange gedauert hat, bis Anne Spiegel diese Offenheit gezeigt hat. Zu lange hat sie geschwiegen, vertuscht, ja offensichtlich nicht immer die Wahrheit gesagt. Selten ist ja der ursprüngliche Fehler (wenn man den langen Urlaub denn als Fehler ansehen will) das politische Problem – auch das gibt es natürlich –, sondern der Umgang mit den ersten Fehlern.
Und da hat sich in unserer Partei die Gewohnheit breitgemacht – überdeutlich bei den Fehlern Annalenas zu Beginn des Bundestagswahlkampfs –, nicht Ehrlichkeit einzufordern und zu befördern, sondern Fehler wegzureden: Die Kritik habe Annalena nur deshalb getroffen, weil sie eine Frau sei; andere Minister seien noch viel schlimmer gewesen und seien ungeschoren davongekommen; mehr noch: die Kritik sei eine „Hexenjagd“ (Michael Kellner). All diese Versuche, die Fehler klein- und wegzureden, haben heute wie vor einem Jahr und wie überhaupt immer die Sache nur noch schlimmer gemacht und uns noch mehr Sympathien und Anerkennung gekostet.
Die andere Seite der Medaille ist die anschwellende Angewohnheit auf grünen Papier-, Twitter-, Facebook-Seiten, alles, was Grüne tun, als famos, wunderbar, herausragend, exzellent zu preisen; jede Kandidatin ist die Beste, die man sich vorstellen könne, usw. usf. Achtet bitte mal drauf, vor allem in den sozialen Medien. Mir scheint, damit wird unsere Fähigkeit untergraben, politische Qualifikation und politische Leistung richtig (und gerecht) zu beurteilen. Das aber ist die Voraussetzung für die Anstrengung, mit der die Grünen gewachsen sind, und womit wir uns von den anderen Parteien bewusst unterscheiden wollten: die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik. Dahin müssen wir unbedingt zurückfinden.
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